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Ioan Holender

 

Europa : DIALOG mit ...

 

Ioan Holender

 

„Europa ist für mich ein Kontinent mit 43 Ländern, wovon 28 der Europäischen Gemeinschaft angehören und 15 nicht. Wenn es überhaupt eine europäische Identität gibt, ist diese durch die europäische Kultur, durch alle Stile und Epochen, geprägt.“ (Ioan Holender)

 

Europa: DIALOG: Ioan Holender & Benedikt Weingartner

 

Wortgewaltig. Klug. Und ziemlich pragmatisch. Der längst gediente Direktor der Wiener Staatsoper ist eben aus Bukarest angekommen, um gemeinsam mit Benedikt Weingartner im Haus der EU vor einem gespannten Publikum über Europa zu philosophieren. Und stellt eines klar: Rumänien ist viel grösser als Österreich. Das Land hat viele Bodenschätze, es gibt Gas. Und Uranium. Es ist von Natur aus reich und hat eine historische Qualität als Gewinner. Doch so stolz wie die Griechen sind die Rumänen nicht. 45 Jahre Kommunismus haben am Selbstbewusstsein gekratzt. Ioan Holender stammt aus Rumänien. Er lacht.

 

Ioan Holender

 

Eine Generation ohne Hoffnung

 

Was die Chancen für die Jugend betrifft, so wirkt Holender sichtlich bedrückt: Speziell hochqualifizierte Menschen gehen verstärkt ins Ausland, da die Möglichkeiten einer gesicherten Existenz in Rumänien nur sehr bedingt gegeben sind, es fehlt an Perspektiven. Bergbau ist uninteressant geworden, die staatliche Industrie ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Ähnlich sieht es bei den Künstlern aus, die von einem besonderen Ehrgeiz geprägt sind: Wer weiter kommen will, wandert ab. Und so darf es nicht verwundern, wenn in nahezu jedem international erfolgreichen Orchester rumänische Musiker zu finden sind. Besonderer Bedarf an Musikern besteht aktuell in China. Dort nämlich fehlt es der aufstrebenden Musikindustrie schlichtweg an Kapazitäten und Talenten.

 

Ioan Holender: Kultur schafft Arbeitsplätze!

 

Arbeitsplätze im Kulturbereich

 

Das internationale George Enescu Festival bildet das kulturelle Highlight Rumäniens. Die enormen Investitionen sind trotz kritischer Stimmen gut angelegt, zumindest aus Holenders Perspektive. Kultur als Luxus zu sehen wäre der falsche Weg, es geht viel eher um die existenzielle Komponente. Es gibt einfach zu viele Opernhäuser in Rumänien, die Qualität leidet. Dazu kommen mickrige Gagen für Künstler. Beim Festival dagegen gibt`s Premium-Qualität und jede Menge Publikum, das gibt`s nicht alle Tage. Weitere Kürzungen im Kulturbereich jedenfalls sind untragbar. Das Budget beim Festival zu kürzen wäre eine Katastrophe, Holender bringt denkbare politische Folgen ins Gespräch. Fest steht, ohne Oper gäbe es noch mehr Arbeitslose: Künstler sind auch nur Menschen. Holender bringt es ohne Umschweife am Punkt.

 

Ioan Holender: Untrennbar mit der Wiener Staatsoper verbunden ...

 

Musik als Botschafter

 

Die besten Opern haben die dümmsten Geschichten. Aktuelle Themen in mythologische Geschichten verpackt ist nur ein Aspekt, wer Geld hat, bestimmt auch die Kunst. Es gibt Tabus. Zensur und politischer Druck stellen Künstler, wie die Geschichte beweist, nicht selten vor enorme Herausforderungen. Das Ergebnis sind bekannte Werke in heutiger Form. Sinnlichkeit und Schönheit machen die Oper zum überall beliebten Exportschlager. Schade jedoch, dass heute nur sehr wenig komponiert wird. Das scheint am Faktor Zeit zu liegen. Verlage vermeiden Risiken, Opernhäuser agieren ähnlich. Es dominiert der bereits bekannte Mainstream, doch genau hier setzt Holender an: Pragmatisch geht er seinen Weg, und lässt sich von niemand dreinreden, wenn es um das Programm geht. Spielen, woran man glaubt, das ist seine Devise. Der Erfolg jedenfalls scheint ihm Recht zu geben.

 

Ioan Holender - längstgedienter Direktor der Wiener Staatsoper

 

Europa: Meine Heimat … ?

 

Was diese Frage betrifft, so will Ioan Holender nicht so recht Position beziehen. 28 Länder, 28 Sprache und zugleich 28 Geschichten. Und fast alle haben sich bekriegt. Dazu kommt, dass die Kriege geschürt wurden, um die Waffenindustrie am Laufen zu halten. Der Künstler weicht aus, redet über Schuhe aus Italien, die mittlerweile genauso teuer und schlecht sind wie hierzulande, Lob gibt es lediglich für Bulgariens Speisekarte. Billig ist es dort. Überhaupt, der Osten Europas hat es Holender sichtlich angetan. Die Reisefreiheit als eine der grössten Errungenschaften ist geradezu prädestiniert, Land und Leute, Vielfalt und Kultur in anderen Regionen kennen zu lernen. Gegenseitige Anregungen sind geeignet, die Qualität zu steigern. Das gilt für Malerei ebenso wie für Design, visuelle Aussagen sind and keine Worte gebunden. Im Grunde genommen gilt das auch für die Musik. Lediglich bei der Oper wollen alle italienisch singen, oft ohne zu wissen, worum es geht. Aber deshalb alles ins Englische zu übersetzen macht auch keinen Sinn, so Holender, der sich durch und durch als Purist outet. Rumänisch klingt`s einfach am schönsten … 

 

Ioan Holender

 

Ausbildung als Zugang zur Kultur

 

Die Musikausbildung hierzulande erntet heftige Kritik. Während für den Musik-Contest Millionen locker gemacht werden, bleibt die Ausbildung auf der Strecke. Posten werden doppelt besetzt. Was das Vereinte Europa betrifft, so ist das Fernsehen da und dort schlecht. Geiger aus Russland und Sänger aus China beweisen: Ausbildung macht sich bezahlt, hier sollte man ansetzen. Gleichzeitig verlangt Holender eine Analyse der Ausbildung in Europa. Wenn es punktuell nicht mal möglich ist, die Matura zu regeln …. ist es in anderen Bereichen kaum besser. Klartext: Investitionen sind angebracht, um qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Rumänien steht in Sachen BIP besser da als Österreich, es geht sichtlich um Effizienz. Um den kulturellen Kommunismus zu überwinden braucht es Visionen, Hoffnung und Verständnis.

Rumänien ist ein schönes Land. Es lebe die Vielfalt, die Europa ausmacht.      

 

Text & Fotos: © Thomas Winkler