Europa : DIALOG mit …Andreas Schieder
„Europa ist für mich die beste Idee der Menschheitsgeschichte. Sie hat uns Frieden, Sicherheit und Wohlstand gebracht. Jetzt ist es Zeit Europa zu verändern: mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Nur ein starkes, vereintes und soziales Europa kann bspw. den Klimawandel bekämpfen.“ (A. Schieder)
Brexit. Lohndumping. Mangelnde Solidarität. Dazu Migration ohne Integration. Verflixt, da lauft was schief, und das ganz mächtig. Es braucht Reformen, das steht fest. Das gilt für Europa ebenso wie für einzelne Nationen, auch für Österreich. Ja, wir haben uns quergelegt bei dem Versuch, Sozialdumping zu bekämpfen. Im sozialen Österreich. Genau gesagt: Es waren nicht wir. Es war die Regierung, jene Köpfe, die wir gewählt haben, oder auch nicht. Denn die Wahlbeteiligung war, sagen wir, mässig. Und genau die Nichtwähler bringen die Demokratie ins Wanken, schlimmstenfalls. Zur Erinnerung: Die Europawahl rückt näher. Unaufhaltsam.
So sieht`s aus
Rechtspopulisten stellen das Konstrukt Europa in Frage. Unberechenbarkeit und Unvorhersehbarkeit führen die Planbarkeit ad absurdum, so scheint es. Das Wort Zerstörung hängt im Raum. Der MFR braucht mehr Spielraum, der Afrikagipfel war enttäuschend. So Schieder. Die Digitalsteuer ist eine Schande für sich. Entwicklungshilfe: Hier fehlt`s an Nachhaltigkeit. Was den Zusammenhalt Europas Europas betrifft, so stört der rechte Flügel. Und was den Freihandel betrifft, hier fehlt die menschliche Komponente. So die ziemlich trockene Analyse von Andreas Schieder, EU-Spitzenkandidat der SPÖ. Und was die Globalisierung betrifft, hier ist eine Pause angebracht. Gut so.
Wie geht`s weiter?
Den American Way of Life wollen wir nicht. Sagt Schieder. Soziale Sicherung und Wohlfahrtsstaat soll auf der Etikette Europas stehen, die Basis ist Menschlichkeit. Alle Gewalt geht vom Volk aus. So die Theorie. Europa kann ein Vorbild sein. Für die ganze Welt. Doch die Tendenzen gehen merklich in eine ganz andere Richtung. Nun, dem Europaparlament fehlt das Initiativrecht. Die Machtaufteilung ist komplex. Dazu kommt, dass dort Menschen sitzen, die generell gegen das Projekt Europa sind. Ein neuer Konvent ist wenig sinnvoll, so Schieder. Europa droht zu zerbersten. Sozial sieht anders aus. „Social killer“ beschreibt es besser. Eine verkleinerte Kommission wäre sinnvoll. Sagt Schieder. Ziemlich unverblümt. Die Widersprüche häufen sich, da rennt das schief. Den Lebensstandard runter zu setzen stärkt den rechten Flügel. Sogar den widerspenstigen Briten geht mittlerweile das Licht auf, der Nebel lichtet sich: Extrawurst gibt`s keine mehr. Die Zeiten sind vorbei.
Orbans überall
Italien. Frankreich. Und auch in Österreich. Die wenig konservativen Elemente gewinnen zusehends an Stimmen. In der Opposition konnten sie nicht viel anstellen, heute sieht es anders aus. Geht der Aufbau einer ganzen Generation den Bach runter? Was ist mit unseren Errungenschaften? Das Szenario wirkt bedrohlich. Die Politik treibt die Bürger vehement in die Arme der Populisten, mit maximaler Nachhaltigkeit. So jedenfalls scheint es. Es fehlt einfach an Effizienz. So Schieder. Die Bundesregierung kriegt eins ab. Andernorts dürfte es kaum besser sein. Mit Slogans kommen wir nicht weiter. Und erst die Subsidiarität, das Wort, das manche nicht mal richtig aussprechen können. Schieder kommt so richtig in Fahrt.
Mehrheitsentscheidungen hemmen Fortschritt
Will einer nicht, legt er sich quer. Das war`s. Ob im Kampf gegen Steueroasen oder bei den Mindeststandards, kein Wunder, dass die Erfolge überschaubar sind. Jeder noch so kleine fortschritt will errungen werden, es geht zäh voran. Mit den Chinesen wetteifern bringt`s nicht, da brennen wir ab. Die Wertschöpfung wird zusehends Wunschdenken. System und Ideologie sind nicht kompatibel, es gibt Mindeststandards, die nicht unterschritten werden dürfen, um das soziale Gefüge nicht weiter zu belasten. Wenn zwei streiten gewinnen die Populisten. Rechts. Links. Ganz rechts. Es wird unrund, und alle machen mit. Dazu die Standortpolitik. Bleiben die Geschenke an die Konzerne aus, ziehen sie ab. Punktum. Dazu der Klimawandel, Kerosin ist unbesteuert. Ein Desaster. Wir brauchen mehr Europa. So Schieder. Denn: Eins und eins ist drei. Gemeinsam sind wir stark. Die Hebelwirkung ist nicht zu unterschätzen.
Die kleinen Dinge des Lebens …
Foren. Camps. Social-Media. Schieder ist engagiert, er sucht direkten Kontakt mit der Bevölkerung. Will hören und wissen, was uns bewegt. Wo es hakt. Was erwarten die Leute von uns? Die Lager sind gespalten, die Probleme nicht länger zu übersehen. Die Steuerfrage ist wichtiger als Pommes und Ölkännchen. Klartext: Europa kann nur funktionieren, wenn es die erforderliche Aufmerksamkeit bekommt. Wir müssen entscheiden was wir wollen. Was wir nicht wollen steht nicht zur Debatte. Den Briten will er die harte Kante zeigen, die müssen die Konsequenzen selber tragen.
Lob für Vranitzky & Faymann
Ohne Sozialdemokraten wären wir nicht in der EU, soviel steht fest. Auch Mock erntet Lorbeeren. Was Schieder vermisst ist das Herzblut der Regierung. Pro-EU darf kein weiterer Slogan sein, es will gelebt werden. Die Kritik ist harsch und nicht zu überhören, wir wissen sichtlich nicht, wo es lang gehen soll. Christian Kern hatte ein tolles Konzept, das ebenso plötzlich von der Bildfläche verschwand wie er selbst, Faymann hat solide Löscharbeiten geleistet, salopp formuliert. Die Finanzmarktregulierung hat geschwächelt, da war, so Schieder, bereits der Schlendrian drin. Migration ist eine Europafrage, das stemmt eine Nation alleine nicht, es fehlt zudem an Rückführungsabkommen. Dennoch, Kurz und Kickl ernten Rüffel, von Sonntagsreden hat er genug. Wie viele andere auch.
Schieder will`s richten?
CO2-Steuer fürs Klima. Millionen für die Schiene. Mit einem Schnellzugsystem mit über 300 Sachen von Stadt zu Stadt. Gramat Neusiedl ist nicht angebunden. Aber: Die Zinsen sind unten. Da kann man Schulden machen. Genauer: Die EU soll Geld flüssig machen. Schliess man die Steuerschlupflöcher, ist das Geld ohnehin da. Dann Urheberrechtssteuer. Soziale Standards sind wichtig. Die nächste Krise kommt bestimmt. Sie ersten Anzeichen sind bereits erkennbar. Kurzum: Schieder will Geld vom Kapitalmarkt. Nicht Garantien. Bremser und Querulanten gehören abgesägt, er setzt auf Teamwork. Das ist auch das Schlüsselwort in der Partei. Erst wählen, dann die Personalfrage. Vieles gehört regional gelöst. Aber erst braucht`s Wähler und Stimmen.
Rechts will Europa zerstören
Die Christdemokraten sind nicht paktfähig. Die brauchen die Steigbügelhalter des rechten Flügels, auch Populisten haben ihre Daseinsberechtigung. Die Aspekte bei den Konservativen sind diffizil, die Affäre Orban dauert bereits 10 Jahre. Orban will. Orban will nicht. Das Geld nimmt er. Sonst zickt er rum. Schieder setzt auf harte Kante, auch hier. Die Medienfreiheit in Ungarn ist rüber, die Gerichte sind zerstört. Doch auch Polen hat Schräglage, Probleme gibt es genug. Fehlt nur, dass Orban zu den Rechten wechselt, die Volkspartei eiert rum. Schieder teilt aus. Für Huschpfusch hat er nix übrig. Überhaupt, das mit der Globalisierungspause meint er ernst. Sklavenarbeit will er nicht dulden, Lohndumping ist unerwünscht. Da kommt ein dicker Brocken auf uns zu. Die nächste Steuer jedenfalls schwebt im Raum, vorerst sehr schemenhaft. Aber das kennen wir bereits. Die Rechtspopulistenwelle ist in der Verzweiflung der Mittelschicht begründet. Die noch weniger begüterten tendieren überhaupt zur Radikalisierung. Das Gängelband schlägt zurück. Kurzum: Die Menschen rennen den Polit-Fürsten laut schreiend davon Bitte: Leute geht`s zur Wahl. Wählt`s aber g`scheit.
Text & Fotos: © Thomas Winkler |