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Christophe Kohl

 

Europa : DIALOG mit …

 

Christophe Kohl

 

„Europa ist für mich integraler Bestandteil meiner Identität. Aber auch ein komplexes und vielfältiges Projekt das gerade in Zeiten der Krisen, der Terrorangst mehr Mut, mehr Visionen, mehr Zusammenhalt und weniger politische Kleinkrämerei braucht.“ (C. Kohl)

 

C. Kohl - Benedikt Weigartner

 

Frankreich hat ein neues Staatsoberhaupt. Emmanuel Macron will offener, konstruktiver Partner für die EU sein. Wie sieht ORF Frankreich - Korrespondent Christophe Kohl dieses Vorhaben? Da ist einmal Marine Le Pen. Sie musste klein beigeben. Nach einem turbulenten ersten Wahltag in Partystimmung, ist Ernüchterung eingetreten. Ergebnis: Zurückhaltung gegenüber den Medien. Am liebsten hätten die Securities dem ORF-Team den Stecker raus gezogen, immerhin: Die Niederlage wurde schnell eingestanden. Schuld sind die Medien. Wer sonst. Sie wollte ein neues Image aufbauen. Leider war sie inhaltlich etwas zu sehr abseits. Naja, es hat einfach nicht geklappt. Warum?

 

Christofe Kohl

 

Erleichterung: Europa hat aufgeatmet!

 

Le Pen wäre so gar nicht willkommen gewesen, so scheint es. Mit Macron an der Spitze war Entspannung ersichtlich. Er stammt aus einem Vorort von Paris, ist Ärztesohn und hat als Investment-Banker gutes Geld gemacht, ehe es ihn in komplett die Politik verschlug. Gleich einer Legende, die über den Dingen und Generationen steht, agiert er auf dem politischen Parkett. Brigitte Macron als Personal Coach und Michelle Obama der Franzosen, weicht kaum von seiner Seite. Eigentlich wollte er ja Schriftsteller werden. Seine Milliardendeals sind legendär, heute steht er an der Spitze der „Grande Nation“. Reformen und Liberalisierung sind seine Stärke, er hat einen geradezu verbissenen Willen überzeuge zu wollen. Irgendwie war er auch immer der „Aufmüpfige“, heute steht er Links und rechts, ein zugegeben heikler Balanceakt. Er will eben das Beste für die Nation. Und Europa?

 

C. Kohl - Benedikt Weingatner

 

Arbeit. Wirtschaft. Sicherheit!

 

Der französische Wahlkampf war überschattet von Eskapaden und Skandalen einzelner Akteure. Entsprechend hoch sind jetzt die Erwartungen an Macron. Doch die Zukunftsvisionen sind nur schwer erkennbar, zumal die innenpolitischen Herausforderungen enorm sind. Was Europa betrifft: Eine schnellere Reaktionsfähigkeit auf Probleme ist ebenso angesagt wie eine Harmonisierung, speziell was Steuern betrifft. Sein Kurs ist Pro-Europa, das steht fest. Die Forderung nach mehr Europa ist deutlich zu vernehmen, was auch mehr Solidarität voraussetzt. Sicherheit, Terrorismus, Aussengrenzen, hier wird`s spannend. Was die Finanzen betrifft: Macron gelobt Besserung. Was anderes bleibt ihm nicht über, die Franzosen sind kein Vorbild in Sachen Budget. Von Deutschland wird mehr Investitionsbereitschaft erwartet. Deutschland exportiert zu viel nach Frankreich, doch hier müsste man überlegen, warum das so ist. Überhaupt, die Vorschusslorbeeren für Macron verblassen, Resultate sind gefragt.

 

Mehr Verantwortung für Frankreich

 

Die Flüchtlingspolitik Frankreichs erntet Kritik. Christophe Kohl bezeichnet die französische Lösung in Calais indirekt als Ghetto. Jetzt heisst es, Verantwortung zu übernehmen. Frontex stärken, Aussengrenzen sichern lautet die Devise, die Slums übertreffen ziemlich alles. Unkoordiniert und desaströs sind milde Statements für die sehr urigen Zustände in der Migrationsfrage, von Menschlichkeit sind wir weit entfernt. Ähnlich schlecht kommen in diesem Punkt nur wenige weg, hier hat die Politik jämmerlich versagt. Doch Migration braucht auch einen Arbeitsmarkt, Macron hat viel zu tun. Auf einer französischen Baustelle wird französisch gesprochen. Das Problem kennen wir von anderer Stelle, das ist nichts Neues. Überhaupt, Europa scheint eine Baustelle zu sein. Und wie es aussieht, bleibt man vorerst, mangels geeigneter Alternativen, beim Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten.

 

Reichlich Kritik an Europa!

 

Irgendwie kommt das Projekt Europa nicht ganz an bei den Franzosen. Konzerne und Lobbyisten bestimmen, wo es lang geht. Bürokraten hüllen sich in unverständliche Wortgeflechte, irgendwie, so richtig durchblicken ist möglich. Die latente Profitmaximierung sorgt für Unwohlsein, Unzufriedenheit macht sich breit. Die Kommission tut nichts für uns, so jedenfalls scheinen es die Franzosen zu empfinden. Irgendwie scheint es erneut ein Problem in der Kommunikation zu geben. Die Erwartungshaltung gegenüber dem Europa von heute ist stark ausgeprägt, es wird ganz offensichtlich ein Kurswechsel erwartet. Christophe Kohl berichtet sachlich, nahezu emotionslos. Was offen bleibt: Gibt es eine Änderung in Sachen Kommunikation? Wird Brüssel greifbarer? Wie Bürgernah kann das Konstrukt Europa überhaupt sein?

 

Frankreich ohne Europa?

 

Ähnliche Nörgeleien gegen Europa wie von Le Pen sind eben mal von der heimischen FPÖ zu vernehmen, und das nur mehr sehr selten und fast schon zögerlich. Frankreich ist ein Gründungsmitglied, somit ist diese Frage ausreichend beantwortet. Die Gründungsväter hatten sichtlich eine Vision und gute Absicht, entsprechend schwierig wäre es auch für Europa, wäre Frankreich nicht dabei. Ein Europa, kein Europa geht eben nicht, entsprechend sollten wir die Sache auch sehr ernst nehmen. Was wir aus Europa machen, bestimmen wir selbst, mit unseren Entscheidungen und Taten. Die Glaskugel ist hier restlos überfordert, es ist ein Entwicklungsprozess mit nahezu unendlichen Variationen, Komponenten und Möglichkeiten. Macrons DNA ist durch und durch europäisch, also sind die Grundvoraussetzungen ganz gut. Dazu kommt ausgeprägter Pragmatismus, das gibt Stehvermögen. Mit den Amis sind die Weichen auf Zusammenarbeit gestellt, der Dialog mit Russland findet statt. Naja, zugegeben, etwas unterkühlt, man wahrt Distanz. Und mit Merkel ist Macron ohnehin ganz gut, die Chemie stimmt. Fortschritt ist angesagt.

 

Kohl - Weingartner

 

Mit Konsequenz ans Ziel

 

Was den Brexit betrifft, so denkt Macron auf einen härteren Schnitt, ähnlich sieht es mit den Grenzen aus. Das berechtigt zur Frage, was mit den Briten passiert, die ein Refugium im schönen Frankreich haben, zumal TGV und Eurostar eine gute Verbindung zwischen Verkehrsanbindung bieten. Das mit Shopping in London könnte somit etwas komplizierter werden. Was Österreich betrifft, so leidet die Alpenrepublik in Frankreich unter einer Imagekrise. Mehr als Mozartkugel & Apfelstrudel kommt kaum rüber. Macron spielt Klavier und liebt Mozart und Beethoven. Ok, zumindest der kulturelle Austausch scheint zu funktionieren. Über den Rest muss man sich verständigen.

Nach reichlich Hickhack und Kleinkrämerei auf politischer Ebene, hofft Christophe Kohl auf grosse Dinge. Europäisch denken wäre ein erster Schritt. Wir können viel erreichen. Aber: WIR müssen noch viel lernen. In Europa!       

 

Fotos: Europa DIALOG / Moni Fellner

Text: Thomas Winkler