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Wolfgang Böhm

 

 

Europa : DIALOG mit ...

 

Wolfgang  Böhm

 

„Europa ist für mich eine Chance, Grenzen und Kriege zu überwinden und heute die Globalisierung mitzugestalten. Die Europäische Union als politisches Modell ist nicht perfekt, aber waren das je Nationalstaaten, die plötzlich wieder zum Anker der Identifikation werden?“ (W. Böhm)

 

Wolfgang Böhm - Benedikt Weingartner in Europa : DIALOG

 

Ausgelaugt, aber glücklich. Der Europa-Ressortleiter von der „Presse“ hat die Delegation des Bundespräsidenten begleitet und ist sichtlich tief beeindruckt von dessen Rede und dem Treffen mit Jean-Claude Juncker. Das klare „JA“ zu Europa hat Furore gemacht. Das ruhige, stets souveräne Auftreten VdBs findet breiten Anklang. Irgendwie scheinen alle froh darüber zu sein, dass er es ist, der in der Alpenrepublik letztlich das Rennen gemacht hat. Und sehr schnell kommen einige durchaus interessante Überlegungen zu Wort. Ist man Österreicher oder Europäer? Mag man Zuwanderer oder nicht? Die EU ist stets ein „und“, und kaum ein „oder“. Miteinander ist angesagt. Brücken bauen lautet die Devise. Was zählt ist Austausch. Applaus.

 

Wolfgang Böhm

 

VdB: Lichtstrahl am Polit-Horizont

 

Amtsmüde. So scheint Juncker aus Sicht von W. Böhm zu wirken. Der Master-Mind der EU wirkt müde auf ihn, während W. Böhm zufolge unser VdB wie ein erfrischender Lichtstrahl erstrahlt.  Junckers Netzwerk ist sichtlich überholt, mit dem neuen Osten kann er, so Böhm, wenig anfangen. Autsch. Böhm gibt sich bedeckt, wenn es um Lorbeeren für die Politik geht. Das Wesen der besagten  Akteure ist schwer zu durchschauen, deren Gesinnung noch viel weniger. Böhm wünscht jüngere Darsteller am Polit-Parkett, es braucht frischen Wind: Die Erasmus-Generation ist offen und freizügig, während die Herren am Ruder einen leicht verstaubten Eindruck hinterlassen. Dazu kommt, dass es Bünde braucht. Doch das müssen die Jüngeren erst lernen. Die Komplexität des Systems bietet Fallen hinter jeder Ecke, und das braucht ausgebuffte Silberrücken. Die Lernaufgabe für die FB-Generation liegt auf der Hand.

 

Wolfgang Böhm im Haus der EU - Wien

 

Von Krise zu Krise

 

Ukraine. Türkei. Flüchtlinge. Der Juncker-Plan für Wachstum kostet Geld. Die Herausforderungen sind enorm, und erklären die enorme Bremswirkung. Es sind zahlreiche Vorschläge und Bemühungen ersichtlich, so Böhm, doch Italien wurde mit den Flüchtlingen allein gelassen, trotz aller Hilferufe. Lampedusa markiert einen trüben Fleck in der Geschichte Europas, die Ereignisse überschatten das Tagesgeschehen. Es helfen die besten Absichten nichts, wenn`s hinter jeder Ecke kracht. Probleme prägen die Staatengemeinschaft. Die Zukunftsdebatte ist berechtigt, und Brexit ist nur ein Teil der angebrachten Überlegungen. Die Frage könnte lauten: Wohin soll die Reise gehen? Denn, zumindest sieht es gelegentlich aus, scheint auch das Ziel nicht unbedingt klar definiert zu sein. Immerhin, die Spitze hat erkannt, dass es Bürgernähe braucht, die Demokratisierung der EU hat bereits begonnen.

 

Wolfgang Böhm

 

Viele Nationalismen und ein Binnenmarkt

 

Die Bemühungen um Mindeststandards bei Arbeitsverträgen und andere soziale Aspekte finden bei den nationalen Gewerkschaften sichtlich wenig Anklang, diese bevorzugen nationale Lösungen. Zumal, wenn Lösungen aus Brüssel kommen, fehlt es den nationalen Platzhirschen an Trophäen. Es sind genau jene Nationalismen, die Europa merklich bremsen. Mit dem Brexit stehen auch Handelsabkommen am Prüfstand, das Thema Fairness gewinnt an Bedeutung. Ohne geeignete Basis kann der Binnenmarkt nicht existieren, der Markt bietet reichlich Nischen für KMUs, die Spezialisierung bietet enorme Chancen. Doch der Wettbewerb ist hart. Und teils sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen verschärfen die Situation, der Fiskus möge vornehme Zurückhaltung demonstrieren. Wachstum braucht faire Bedingungen, ein unpässliches Framework verhindert Innovation. Die globale Vernetzung ist ein Aspekt, doch auch lange Transportwege sind zu bedenken. Regionale Produkte versus Früchte aus der Ferne, der Hausverstand sollte durchaus befragt werden, auch regionale Anbieter brauchen Abnehmer. Ein Apfel ist ebenso vitaminreich wie die Kiwi aus Neuseeland, der Konsument ist mündig genug, selbst zu entscheiden, was Sinn macht. Es lebe die Nachhaltigkeit.

 

W. Böhm

 

Wer denkt? Wer lenkt?

 

Merkel, Hollande oder Renzi agieren auf einer breiten internationalen Bühne. Die Medien verfolgen das Trio mit penetranter Hartnäckigkeit, die Eigendynamik ist nicht zu übersehen. Die Eskapaden von „Mr. President“ aus dem Westen sind auch am europäischen Kontinent zu vernehmen. Und so stellt sich die Frage: Sind es Donald und Micky, die Europa vereinen? Überhaupt: Wie viel Fremdeinfluss braucht Europa, um endlich auf Kurs zu kommen? Die Britische Regierung lässt Ratlosigkeit erkennen, was den Brexit betrifft. Wie von einem dichten Nebelschleier umgeben, nehmen die denkbaren Folgen für das Inselvolk rein schemenhafte Konturen an. Unwohlsein macht sich breit.  Zurückrudern? Oder lieber doch noch ein Referendum? Zerbricht Europa? Der Kontinent scheint gespalten, Frustration macht sich breit. Denn der Brexit könnte Schule machen. Und überhaupt: Wenn die Briten nicht dabei sind – was geschieht mit der Amtssprache der EU?

 

Wolfgang Böhm - Benedikt Weingartner im Haus der Europäischen Union, Wien

 

Rechtsstaatlichkeit und Werte

 

Die eklatanten Rückentwicklungen in der Türkei verursachen kollektives Trübsal, die Machtspiele geben zu denken: Die Entwicklungen zeigen, wie Demokratie an die Wand gefahren wird, das Land könnte implodieren, so die aufkeimenden Befürchtungen. Tendenzen zur Eigenwilligkeit machen sich bemerkbar, es ist kaum Solidarität erkennbar. Das berechtigt zur Überlegung, wie ehrlich es die Mitgliedstaaten mit der europäischen Vision wirklich haben. Die im Staatenbund drinnen sind meckern, die rein wollen spielen falsch. So wird`s nix.

Offene Grenzen, Freizügigkeit und die Bereitschaft zum offenen Austausch, speziell im kulturellen Bereich, sind Grundvoraussetzungen, so Böhm. Und genau diese Dinge wünscht sich Wolfgang Böhm von der Glücksfee aus Brüssel.   

 

Fotos: Europäische Kommission / Katharina Schiffl   

Text: Thomas Winkler