Europa :DIALOG mit ...
Christian Rainer
„Europa ist für mich mehr Heimat als Österreich und so sehr Heimat wie mein Geburtsort im Salzkammergut.“(Ch. Rainer)
Drei Fehleinschätzungen und das war`s mit der EU. Mit diesem doch ziemlich markigen Opening gehen Benedikt Weingartner und Christian Rainer, seines Zeichens Chefredakteur vom „Profil“, in die Gesprächsrunde. Christian Rainer steht zu seiner Aussage: Es fehlt an Kohärenz und Zusammenhalt. Solidarität: Pustekuchen. Die Lage erinnert an die ehemalige ÖVP-FPÖ in der Alpenrepublik, das Thema Migration ist Sprengstoff der explosivsten Sorte. Fehleinschätzungen bringen das Friedensprojekt Europa nach der Bankenkrise zusehends weiter in Schieflage. Kommt der grosse Knall?
Migration: Globale Modekrankheit?
Brexit. Change. Migration. Trump poltert, am liebsten hätte er eine Mauer. Asylanten halten die Regierungen der Welt auf Trab, das Thema polarisiert. Kurz hat die Balkanroute dicht gemacht, die Schuldzuweisungen gehen quer durch Europa. Von einer Lösung sind wir weit entfernt, von wegen „Wir schaffen das“. Die Probleme haben eben erst begonnen. Rainer nimmt die heimische Politik ins Visier, die Akzeptanz der Ausländer ist rückläufig. Ängste der Bürger werden nicht erkannt, die Befürchtungen sind ernst zu nehmen. Die Kriminalität unter den Volksgruppen trübt das ohnehin trübe Bild, ohne Migration ging es uns besser. So Rainer. Die Rücksiedlung der Afghanen schwebt im Raum, warum funktioniert die Verteilung nicht? Warum nimmt niemand Flüchtlinge auf? Hochgerechnet kommen wir auf eine halbe Million Menschen, die es hier her zieht, das scheint doch etwas zu viel. Es droht ein gesellschaftliches Desaster, so die Botschaft zwischen den Zeilen. Die Willkommenskultur scheint angeschlagen. Merkel hat die Rechnung bekommen. Und jetzt?
Wählerstimmen stimmen nachdenklich
Mit 54 in die Pension, da hast dann nix mehr zu verlieren. Dann die FPÖ am Stimmzettel. Doch der Rechtsruck stimmt nachdenklich. Irgendwas rennt aus dem Ruder, so Rainer. Die Bevölkerungsstrukturen sind angespannt, die Befürchtungen der Europäischen Kommission wurden in den Wind geschlagen, ebenso Konzepte gegen das Dilemma. Juncker hat 2,7 Milliarden bereitgestellt, für Afrika. Der Beschluss wurde von den Mitgliedstaaten mitgetragen. Es sind aber nur 150 Millionen da. Die Mitgliedstaaten üben sich in vornehmer Zurückhaltung, was die Zahlungen betrifft. Solidarität scheint eine inflationäre Sache zu sein. Es droht Ungemach, denn Sonnenschirme über Afrika sind keine Lösung, so Rainer. Irgendwie fehlt der humanitäre Ansatz, von Weitblick reden wir erst gar nicht.
Schicksalsgemeinschaft Europa?
Mitgefangen, mitgehangen. Aus Todfeinden Freunde zu machen, ist nicht einfach. Das Frauenbild der Muslime verursacht Unwohlsein, irgendwie sind wir verdammt, miteinander zu sein und zu arbeiten. Tun wir`s nicht, gerät das System aus den Fugen. Es geht um Werte. Pressefreiheit. Redefreiheit. Kunst. Kultur. Auch wenn, so Rainer, einige der Journalisten Hollodris sind. Autsch. Trump hat die Werte ad absurdum geführt. Und Kurz ist auch nicht der interessanteste Politiker. Schon eher Emmanuel Macron. Ist das die neue Hoffnung für Europa? Irgendwie schwebt der Bundesstaat Europa im Raum, statt Staatenbund. Die Nationalismen stimmen nachdenklich, und traurig. Eigentlich zugleich irgendwie haarsträubend.
Zu unbefangen?
Macron ist 39. Kurz 31. Mental sichtlich unbelastet, was es die Vergangenheit betrifft. Europa ist selbstverständlich. Vielleicht zu selbstverständlich? Was die FPÖ betrifft, hat Rainer eher gemischte Gefühle. Alle wollen die EU auf neue Beine stellen, Gemeinsamkeiten sind gefragt. Bis 2019 wäre Einigkeit über die Zukunft angebracht, um den neuen Kurs zu fixieren, vorbehaltlich der erforderlichen Anpassungen. Die Ratspräsidentschaft ist eine gute Gelegenheit für Österreich, sich einzubringen. Immerhin, Kurz ist unsere Chance, auch für Kern gibt`s Lob. Es geht darum, möglichst wenig Fehler zu machen, und damit wenig Angriffsfläche zu bieten. Sieht nach taktischer Integration aus, offene Kommunikation schafft Vertrauen. Solidarität ist keine Einbahn, Erwartungen steigen auf. Das Wort „Flüchtlingsfinanzausgleich“ ist zu vernehmen, Zahlungen werden an Bedingungen geknüpft. Und umgekehrt. Klingt irgendwie nach Notwehr. Es ist Populismus im Spiel. Braucht es ein neues Regelwerk?
Ausbeutung. Migration. Oder doch Kolonialismus?
Die Integration der Türken klappt seit 40 Jahren nicht. Die Probleme sind eklatant, was den islamistischen Teil betrifft. In der 1. Generation funktioniert es nur in Ausnahmefällen, meist geht es erst mit der zweiten, oft erst dritten Generation. Und auch dann nicht immer. Rainer bringt es am Punkt. Ist es Ausbeutung? Der Gedanke steht im Raum, wer in Asien produziert, wird hier schräg angeschaut. Es ist Imagesache, kein Wort über die Labels aus Italien. Was wollen wir wirklich?
… und erst das Klima!
Trump und Hofer gehen als klimatische Antichristen durch. Kann sein, dass uns die nachkommenden Generationen unterstellen, den Lebensraum Erde an die Wand gefahren zu haben. Wenn wir morgen klare Luft atmen wollen, müssen wir heute was unternehmen. Klimaverschmutzung kennt keine Grenzen, daran ändert auch Trump nichts. Klima und Umwelt drängen uns gnadenlos in eine Schicksalsgemeinschaft. Alleine wegen der Geschichte sollten wir aufpassen. Von einem Bundesstaat Europa sind wir weit entfernt. Und: Hans Dichand von der Krone hatte sein Ohr am Volk. Womit wir bei der Aufgabe der Medien wären …
Fotos: Europa : DIALOG / Gabriel Alarcon Text: Thomas Winkler |