Europa : DIALOG mit ...
Esther Mitterstieler
„Europa ist für mich ein wichtiger Teil meiner Identität. Ich bin in Europa geboren. Studienorte in einem Europa ohne Grenzen prägen mich bis heute. Wir sollten dieses Europa nicht aufgeben, sondern an seiner Verbesserung gemeinsam arbeiten.“(E. Mitterstieler)
Europäisch. Heimatbezogen. Und sehr selbstbewusst. Den EU- Pass hat Esther Mitterstieler, Chefredakteurin von „NEWS" ohnehin. Sie ist Italienerin, genauer: Südtirolerin. Politiker würden sie als Ausländerin bezeichnen. Nur zu gerne hätte sie auch den Österreichischen Pass, auch wenn sie den italienischen Pass niemals abgeben würde. Also Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler? Das klingt ganz nach einem frommen Minderheitenwunsch. Einmal pro Jahre bringen die Freiheitlichen dieses Thema aufs Tablett. Bislang ohne Erfolg. Immerhin, Österreich ist die Schutzmacht Südtirols, und Deutsch nahezu Landessprache. Überhaupt, Südtirol ist eine hochpolitische Angelegenheit. Die Steuern werden natürlich nach Italien bezahlt, die gehen nach Rom. Mitterstieler lebt seit 20 Jahren in Wien, doch der Klang der Dolomiten prägt den Akzent.
Brüche im Haus Europa
Was aus Brüssel kommt ist schlecht. Allgemeinwissen, der einfachsten Sorte. Südtirol zahlt nach Rom, 90 % davon kommen retour. Schlecht geht`s nicht in Südtirol, ähnliche Raunzer gibt`s nur in Wien. Oder Bayern. Letzteres ist sogar Freistaat. Genau genommen, den Menschen in Südtirol geht`s so richtig gut. Das Klima. Und der Wein. Mehr Unabhängigkeit geht nicht. Das hat auch Katalonien nicht geschafft, trotz aller Bemühungen. Die Wirtschaft boomt, doch als Minderheit hat man es schwer, überhaupt ohne Notlage. Was das alles mit der EU zu tun hat? Ganz einfach. Die Botschaft kommt nicht an. Es fehlt an Solidarität, was ankommt, sind Nachrichten mit Beigeschmack. Liegt das etwa daran, dass die Trophäenjäger sprich Minister vor Ort auf dem langen Weg in die Heimat vergessen, was in Brüssel tagtäglich besprochen und beschlossen wird?
Biedermeier. K&K. Und wenig Solidarität!
Irland war einst Sorgenkind. Brüssel hat gezahlt. Viel Geld ging zu den störrischen Iren. Dann ging es bergauf. Die nächste Krise folgte, Brüssel hat wieder gezahlt. Jetzt die Sache mit dem Brexit und der verständlichen Sorge, von Europa im Stich gelassen zu werden. Jetzt, wo es ernst wird, setzen alle ihre besorgten Gesichter auf. Juncker predigt die Sozialunion. Gemeint ist die Einzahlungsgemeinschaft für Ost und Süd. Wir zahlen. Die Anderen nehmen. Uupppps. Das geht auf Dauer nicht, wir können nicht immer nur einzahlen. Wenn`s für Kärnten ist ok, aber nicht immer für den Griechen. Überhaupt: Das Chaos begann Anfang 2000, als Deutschland und Frankreich begannen, Maastricht in den Wind zu schlagen. Dann ging`s bergab. Die Kritik ist heftig, Europa ist brutal unflexibel, so Mitterstieler. Brüssel hat gezaubert. Denn: Es hätte schlimmer kommen können!
Reibungsverluste bremsen Erfolg
Die Amis und China sind auf der Überholspur. Es fehlt an der Ernsthaftigkeit hierzulande, es braucht Benchmarks und eine grundlegende Harmonisierung. Doch genau hier hakt es. Brüssel schafft es einfach nicht, sich zu verkaufen, die Message kommt nicht richtig rüber. Denn: Es fehlt einfach an Überzeugung. Ein Umstand, der stets aufs Neue kritisiert wird. Es geht um die Wahrnehmung! Dazu viele Vorurteile. Die Gurke. Wasserkocher. Und die Pommes. Das bleibt in den Köpfen hängen. Zugegeben, die Amis haben es leichter, weil nur eine Sprache. Hier kämpfen wir mit Instanzen und Nationalismen, da rennt Brüssel an die Wand: Nationalismen versus Gemeinsamkeit. Das Thema Verteidigung ist sensibel, alleine wegen der Neutralität. Und dann erst die Flüchtlinge. Brüssel sah es voraus, doch der Prophet fand kein Gehör.
Europa: Quo vadis?
Vorgaben und Benchmarks gäbe es ja genug, ebenso unterschiedliche Denkansätze. Was uns zur Problematik bringt: Was helfen Benchmarks und sonstige Kriterien, wenn sich niemand drum kümmert? Wo werden Details entschieden? Was machen wir mit Hierarchien? Kompentenzen zu verschieben ist mit Reibungsverlust verbunden, Pfründe werden ungern aufgegeben. Dazu ziemlich verschlungene Kommunikationswege. Das klingt nach hoffnungslos verheddert im selbstgemachten Gesetzesdschungel. Wir müssen schneller werden! Und: Die Antwort auf die Flüchtlingskrise ist, naja, halbherzig. Und: Es werden noch mehr kommen. Viel mehr! Was die Spendenbereitschaft betrifft: Menschen haben, so Mitterstieler, zuhause ausgemistet, und abgegeben, was nicht mehr gebraucht wird. Integration bedeutet zudem Zugang zum Arbeitsmarkt, um Perspektiven zu ermöglichen. Warten, um vielleicht arbeiten zu dürfen, macht wenig Sinn. Und geht auf die Substanz. Hier sollte angesetzt werden. Die Solidaritätswelle jedenfalls ist abgeflaut, da ging einiges mächtig daneben. Konzepte gibt`s genug, allein es fehlt an Menschen und Staaten, die hier richtig mitziehen.
Europapolitik ist Innenpolitik!
Esther Mitterstieler versteht nicht, warum die Mitbewerber Europa nicht als Innenpolitik bezeichnen. Europa braucht keine eigene Seite, wir sind Europa! Und: Mitterstieler hat Benedikt Weingartner als neuen Abonnenten für News gewonnen, nur eine Kolumne, die will er nicht. Die gehört Lotte Tobisch. Doch einen Leserbrief könnte er schreiben, viele Leserbriefe, jede Woche einen … ja, das ginge. Überhaupt, die Aufgabe der Medien steht am Prüfstand. Es braucht, so Mitterstieler, Geschichten. Von Menschen. Über Menschen. Mit Menschen. Es lebe der Voyeurismus. Wie geht`s der Queen?
Eine Sozialversicherung … für Europa?
Eine Anregung gibt uns Esther Mitterstieler mit auf den Weg: Wählen dürfen, wo die Steuern bezahlt werden. Für Mitterstieler macht es wenig Sinn, in Italien zu wählen, sie lebt schliesslich hier. Das wäre einer der Herzenswünsche. Und dann wäre da noch die Sache mit einer europäischen Sozialversicherung. Für jene, die mal da und mal dort sind. Um zu arbeiten mal Italien, dann Deutschland oder so. Eine Doppelstaatsbürgerschaft als Übergang zum EU-Pass wäre fein, es gibt viel zu überlegen. Doch kommt das Nationalbewusstsein ins Spiel, es geht um die Identität. J.C. Juncker hat zur Diskussion geladen. Weniger, aber effizienter. Um irgendwo anzufangen … wir sind noch lange nicht angekommen. Es braucht Reformen!
Fotos: Europa : DIALOG / Moni Fellner Text: Thomas Winkler |