Europa : DIALOG mit …Gerald Knaus
Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI)
Was läuft in der Debatte über Migration falsch? Gerald Knaus, der die EU-Türkei-Vereinbarung entwickelte, warnt im Gespräch mit Benedikt Weingartner vor falscher Panikmache, die suggeriert, dass die Anzahl der Migranten oder Asylsuchenden gross wäre. Was Europa bräuchte sind Aufnahmezentren und schnellere Asylverfahren. Was läuft falsch? Woran scheitert eine vernünftige europäische Migrationspolitik?
Berichte und Analysen rund um den Balkan. Die Themen lauten: Freiheit. Grenzen. Asyl. Erweiterung. Insider wissen: Das sind die Kernthemen von G. Knaus, dessen Fokus auf den Ereignissen rund um den Balkan liegt. Die Willkommenskultur wertet er positiv, nur mit der Umsetzung will es nicht so klappen. Dazu fehlt es an Solidarität, es gibt zu viele nationale Ansätze in der Handhabung der Problematik. Dramatik in den Bildern aus 2015. Ein Jahr später gab es keine Alternative. Heute auch nicht. Schwanger und Kinder in desolaten Zeltstädten liefern ein tristes Bild über den Fortschritt in Europa, es fehlt an Sicherheit. Die Asylverfahren sind zu langsam. Im Meer kann man keine Mauern bauen.
Unantastbar: Menschenrechte!
Ohne Verfahren kein zurück. Doch die Verfahren dauern. Es fehlt an Ressourcen. 4 Jahre sind keine Seltenheit, wir liefern uns den Populisten aus. Doch woran scheitert es? Die heiss erwarteten Frontex-Leute kommen in 8 bis 9 Jahren. Das ist lange, viel zu lange. Es braucht Fristen und Gesetze, eben ein geeignetes Framework, um hier klar zu kommen. Es braucht Kontrolle, diese hat Europa verloren. Das Mittelmeer wirkt wie eine einzige Krisenregion. Knaus spricht von der tödlichsten Grenze der Welt. Betretenheit macht sich breit. Die Politik ist gefordert.
Moralische Aspekte, Rechte oder politisches Kleingeld?
Nationaler Schutz funktioniert nicht. Es braucht solide europäische Aussengrenzen, die Verantwortlichen stellen sichtlich nicht die richtigen Fragen. Türkei-Griechenland hier, jetzt Frankreich-Italien. Dazu das Versprechen der österreichischen Regierung, dicht zu machen. Und wer es nach Griechenland geschafft hat, kommt auch nach Deutschland. Es ist nur mühsamer, gefährlicher. Und ein klein wenig teurer. Wegen der Schlepper. Kurzum: Mit etwas Kleingeld kommt man nach Europa. Ungarn ist konsequent, es wird sogar die Nahrung verweigert. Seht her, da ist nix zu holen. Ähnlich stur sind auch die Dänen. Schlechte Behandlung schreckt ab. Hinter den Kulissen gärt es. Scheindebatten hatten wir genug. Lösungen wären angebracht.
Verkürzte Wahrheit und Populismus
Ignorieren? Ändern? Abschaffen? Die Ansätze sind recht unterschiedlich. Fehlt es an Schutzbedürftigkeit, haben die Migranten schlechte Karten. Irreguläre Migration erhitzt die Gemüter, doch wie die Spreu vom Weizen trennen? Die drohende Masseninvasion, die uns SocialMedia ankündigt fallen, so Knaus, unter die Kategorie nicht zutreffend. Die Merkel ist schuld jammern die Stammtischbrüder aus Deutschland, die Antipathie gegen die Neuankömmlinge nicht länger zu verheimlichen. Die Zivilisation steht am Spiel tönt es aus der rechten Ecke, viele nehmen es mit Integration nicht allzu ernst. Hier braucht es Konsequenz. Das Recht auf Menschwürde ist angebracht, ein Mensch kann nie illegal sein. So Knaus. Die Angstmache des rechten Flügels geht diesem gegen den Strich, er geht ins Gericht mit Europa. Von wegen Masseninvasion, er will die Fluchtursachen bekämpfen. Überhaupt, Knaus vermisst rationale Debatten auf Augenhöhe, es sind einfach zu viele Schlagworte im Spiel.
Drei-Säulen-Modell für Migration
Ein neues System soll binnen zwei Monaten Klarheit schaffen über Asyl oder nicht. Es braucht Ressourcen sprich Mittel und Personal. Knaus denkt an Rechtshilfe. Er will faire Verfahren, doch mangels Ressourcen scheinen diese Forderungen sehr utopisch zu sein. Zudem fehlt es an Abkommen. Kurzum: Das Konstrukt ist vorerst recht theoretisch. Überhaupt, Knaus, muss verhindert werden, dass sich Europa nicht zu Venezuela entwickelt. Die Umstände in Polen sind besorgniserregend, das Fundament zerbricht. Viel Unsicherheit ist dabei im Spiel, die Kommission ist gefragt, so Knaus, die Wahlen sind zweitrangig. Humane Asyl- und Migrationspolitik stehen auf der Wunschliste von Knaus ganz oben, man will schliesslich Vorbild in Sachen Menschenrechte sein. Ein Punkt jedoch blieb gänzlich unangetastet im sonst interessanten Dialog: Wie sieht es mit den Pflichten sowie der Integrationsbereitschaft der Neuankömmlinge aus?
Fotos: Europa : DIALOG / Gabriel Alarcon Text: Thomas Winkler
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