Europa : DIALOG mit ...Helmut Brandstätter
„“Europa ist meine Heimat. Ein einiges Europa ist meine Hoffnung für lang anhaltenden Frieden.“ (Helmut Brandstätter).
Es begann 1981. In dieser Zeit war der heutige KURIER-Chefredakteur Praktikant in Brüssel. Und es kam, was kommen musste: Aus dem neugierigen, ambitionierten Praktikanten wurde ein Vollblut-Europäer und Insider mit Vorzeigequalität. Kaum ein anderer Journalist kennt das Prinzip Europa so genau wie Brandstätter, mit Ausnahme der aktiven Akteure vor Ort. Das sind Abgeordnete, Kommissäre, Beamte. Und Lobbyisten. Die dürfen wir nicht vergessen. Aber Brandstätter berichtet. Aus Leidenschaft.
Europa: Eine Leidenschaft, die ansteckt
Als langjähriger Brüssel-Insider hat man Kontakte. So auch zu Ex-Kanzler Faymann. Nein, der war nicht immer glühender Europäer. Erst sein Amt prägte ihn. Und machte diesen Schritt für Schritt zum Europäer. Ja, Brandstätter hat vielleicht etwas nachgeholfen, könnte man denken. Kein Wunder, dieser hatte schon damals seine Quellen und ein offenes Ohr für Zusammenhänge und Hintergründe. Als Korrespondent ist man informiert. Und Informationen werden, das liegt in der Natur der Dinge, weiter gegeben. Doch es gibt auch Schattenseiten, wie Brandstätter, und nicht nur dieser, beobachten konnte: Die Merkfähigkeit der politischen Akteure etwa scheint mit zunehmender Distanz zu Brüssel abzunehmen. Begeistert von Europa, vergessen die Politiker am Weg nach Hause alle guten Vorsätze und leider auch viele der Abmachungen. Hier scheint nur eine Überlegung zu zählen: Wo sind meine Wähler? Ob das nicht bereits Gefallsucht ist?
Warum eigentlich EU?
Die geringe Begeisterung der politischen Akteure für unser Europa ist kaum zu übersehen. Deutschland profitiert. Österreich profitiert. Andere profitieren viel, viel mehr. Aber: Europa eröffnet Chancen. Und wie üblich dauert es ein klein wenig, bis die Früchte zu ernten sind. Irgendwie, so Brandstätter, ist es eine Generationensache: Es hat ganz schön gedauert bis zum Euro und Erasmus, doch wenn wir nicht aufpassen ist es bald wieder aus mit dem Europa ohne Grenzen. Allein die Überlegung eines Nord- und Süd-Euro sollte zu denken geben. Initiativen gibt es genug, die Kommission ist fleissig. Was nervt ist die mitunter tranige Umsetzung der Mitglieder. Dazu das brisante Thema NATO: Ohne Neutralität kein Staatsvertrag, Europa bedeutet: Stabilität. Der Beitritt war ebenso richtig wie wichtig, jetzt braucht`s halt ein klein wenig Anstrengung, um die Vision des Friedensprojekts zu stabilisieren.
Subsidiarität bedeutet Eigenverantwortung!!!
Finanzen. Verteidigung. Soziale Kompetenz. Das sind nur einige Themen, die es zu meistern gilt. Doch speziell in Österreich scheint es an Bereitschaft zu fehlen. Es braucht Verantwortung, so Brandstätter, doch diese scheint niemand gerne übernehmen zu wollen. Die untere Ebene hat ganz besondere Fähigkeiten, die genutzt werden wollen, nämlich auf der ureigenen nationalen Ebene. Einfacher kann man es den Mitgliedern nicht machen. Die Konzerne hingegen sind EU-Sache, speziell in Sachen Abgaben. Es hilft nämlich niemand, wenn Konzerne erst um teures Geld angelockt werden und wieder abziehen, sobald der Fördertopf nichts mehr abgibt. Doch wie gesagt: Das ist Chefsache.
Britendesaster: Extrawurst ade!
Der Scherbenhaufen britischer Natur ist hausgemacht. Viele Lügen und hohle Floskeln haben das mitunter recht einfältige Inselvolk ins Abseits gestellt. Kommt ein neues Referendum? Die eigentlichen Probleme kommen erst, die Zukunft der Insel ist nicht unbedingt rosig. An Griechenland denken wir wenigstens wenn es um Urlaub geht, aber Grossbritannien? Der Brexit ist mehr als nur ein Bankenproblem, die drohenden Szenarien übersteigen die kühnsten Befürchtungen. Überhaupt: Europa war in der Vergangenheit ein einziger Kriegsschauplatz, der Weg zu den Menschenrechten wie wir sie kennen war lang und steinig. Heute braucht Europa geregelte Zuwanderung, doch das wird kaum kommuniziert. Wer darf und wer darf nicht – keiner will sich die Finger verbrennen. Es geht um Wähler. Hintergedanke: Die Alten springen ab, also braucht es neues Stimmvieh. So oder ähnlich lautet die Botschaft. Die eben – vermutlich bewusst – nicht kommuniziert wird. Es braucht: Gesetze. Und: Integration muss von beiden kommen. Hier eine Moschee, da eine Moschee - das spielt`s nicht, es braucht klare Regeln. Und einen erkennbaren Willen zur Integration.
Digitalisierung ohne Ende
Die neue Digitalisierungswelle wird die Arbeitswelt grundlegend verändern, speziell im Bereich Medizin und Automatisation. Entsprechend wichtig sind Elite-Unis. Doch leider fehlt es an Bereitschaft zu Spitzenleistung, so Brandstätter. Man könnte meinen, Europa dümpelt zufrieden im Mittelfeld, da sind die Asiaten besser dran. Überhaupt, so scheint es, verspielen wir Chance um Chance, alles ist eine Frage des Geldes. Brandstätter verlangt ein klares Bekenntnis zur EU und Taten. Zupacken ist angesagt. Und: Die häufig gepriesene Rechtsstaatlichkeit gehört zu den Basics. Wo sind die Visionen? Benchmarks mutieren zu Stolpersteinen. Haben wir vergessen, dass die Europa unsere einzige Chance ist? Wo bleibt das Vertrauen in die Zukunft? Was die Zukunft der Europäischen Union betrifft: Absurditäten beenden wäre ein erster Schritt. Da ist die Politik gefragt …
Fotos: Europa : DIALOG / Gabriel Alarcon Text: Thomas Winkler
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