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Thomas Mayer

 

Europa : DIALOG mit Thomas Mayer

 

Moderation: Benedikt Weingartner


Ist die EU im Krisenmodus?

 

Europa verharrt im Lockdown. Verschärfen. Öffnen. Die Standpunkte könnten unterschiedlicher nicht sein. Fragen über Fragen dominieren das Geschehen. Versagt die EU in der Krise? Ist die Impfstoffbeschaffung wirklich eine Erfolgsgeschichte? Wie sieht es mit den Aufbaufonds der „Next Generation“ wirklich aus? Und was ist mit dem Green Deal, der unser Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen soll? Benedikt Weingartner geht den Fragen mit seinem Gesprächspartner T. Mayer, „Der Standard“ Korrespondent in Brüssel, auf den Grund.

 

Covid bestimmt das Tagesgeschehen

 

Eine monotone Routine bestimmt das Leben. Seit rund einem Jahr wissen wir, was Ausgangssperren bedeuten. Zuhause bleiben. Abstand halten. Dazu die muffigen Masken, über deren Sinn die Experten eifrig streiten. Kinder lernen zuhause. Die Eltern sind überfordert. Ja. So eine Krise hatten wir noch nie. Sie quält den Bürger. Oder sind es die oft sehr seltsam anmutenden Verordnungen? Noch mitten in der Krise erfahren wir, die nächste Krise steht bereits vor der Türe: Die Wirtschaftskrise. Sie dürfte alle bisherigen Krisen in den Schatten stellen. Es geht um Existenzen. Und Perspektiven. Haben wir überhaupt Perspektiven? Wie sehen diese aus?


Europa im Krisenmodus

 

Rückblick: November 2019 gab es die ersten Anzeichen von aufsteigenden Gewitterwolken in Wuhan. Feber 2020 wurde Europa damit konfrontiert. Unmittelbar vorher die neue Türkis-Grüne Regierung. Ursula von der Leyen hat mit Amtsantritt von Green Deal und Digitalisierung geschwärmt. Doch es sollte anders kommen. Über München, Frankreich und Italien ist das Virus zu uns gekommen, so Thomas Mayer. Und dann kam Ischgl. Und die damit verbundenen Versäumnisse. Die Gesundheitskrise wurde zur Wirtschaftskrise. Der Übergang war weich und fliessend. Anfangs hat es niemand  gemerkt. Während Experten von einer dritten Welle warnen, hat die Kommission aus der Not eine Tugend gemacht und begonnen, weitreichende Entscheidungen zu treffen.  


MFR: Gerade noch geschafft

 

Es geht um Geld. Um sehr viel Geld. Egoistische Tendenzen werden immer dann erkennbar, wenn es ums Budget geht. Dazu der BREXIT. Unterm Strich fehlen € 60-70 Milliarden. Die niemand zahlen wollte. Sollte das Budget gar scheitern? Dazu noch Covid. Der unumgängliche Lockdown geht auf die Substanz. Kein Geschäft, kein Geld. Die Kosten galoppieren fröhlich weiter. Vieles geht zu Bruch. Nichts ist wie es einmal war. Es geht um Wiederaufbau. Unterm Strich gibt`s mehr Geld als geplant, genau eine Verdopplung bis 2024, ausgehend vom ursprünglichen Plan. Der Green Deal und die Digitale Offensive sollen vorangetrieben werden. Doch ganz so einfach war es denn auch wieder nicht.


Die „Frugalen Vier“

 

Sparsamkeit ist eine Tugend. Utopische Ziele und widerspenstige Mitglieder sind eine denkbar komplexe Angelegenheit. Einfach Geld ausschütten geht nicht. Also wurde ein geeignetes Framework geschaffen, um einen Abschluss zu erreichen. Türkis-Grün als leuchtendes Beispiel sollte Schule machen, doch es kam anders. Minus 8% Rezession in Deutschland geben zu denken, rundum ist es kaum besser. Die Themen sind riesige Module. Klima, Energie, Ressourcen. Das geht auf die Substanz. Die Rolle der hoch industrialisierten Nettozahler war ausschlaggebend für die Lösung. Waren es anfangs besonders Italien, Spanien und Griechenland die vom Virus betroffen waren, kamen sehr schnell andere Regionen dazu. Der Osten bekam auch kräftig eins ab und wurde entsprechend rebellisch. Niederlande, Dänemark, Schweden und Österreich drückten auf die Stopp-Taste. Es ging um Inhalte. Und Rückzahlungsverpflichtungen. Undurchsichtige Kanäle sollten, so Thomas Mayer, gestoppt werden. Es sind viele Rabatte im Spiel. Insgesamt geht`s um 750 Milliarden, Da kann man dann schon was anstellen damit.

 

Wenn`s brennt rufen wir in Brüssel an!

 

Die zweite Corona-Welle wurde verschlafen. Wahlen in Wien forderten ihren Tribut. Kurz konnte sich nicht durchsetzen und die Zahlen stiegen und stiegen. Kritische Stimmen wurden laut und forderten eine europäische Lösung für die neu aufkommende Krise mit dem bereits bekannten Virus. Anfangs gab es keine Masken, in Folge sollten diese an den Grenzen stecken. Solidarität geht anders, einmal mehr ging es um Trophäenjagd der Regierungsmitglieder. Die Kommission hat keine Kompetenzen im gesundheitlichen Bereich, doch der Ruf nach einem Gesundheitsrat war nicht zu überhören. Der Binnenmarkt stand auf dem Prüfstand, wegen dem Gerangel nach Masken. Letztlich hat es doch geklappt, man einigte sich zur gemeinsamen Beschaffung für die begehrten Impfstoffe.

 

Keine nationalstaatlichen Alleingänge

 

Gemeinsame Sache ist eine feine Sache. Wie aktuell bei Impfstoffen. Thomas Mayer spricht von einer regulären Zulassung. Kein Wort jedoch darüber, dass es bis zuletzt eine reine Notzulassung ist, mangels wissenschaftlicher Fakten und Fallzahlen. Der Beschluss zur Beschaffung stammt aus Juni 2020. Heute wird geimpft. Die US, UK und Israel sind schneller, so T. Mayer. Es sei ein Glück, dass es so schnell geht. Boris Johnson ist mit einer britischen Notzulassung vorgeprescht, der Neid der anderen ist kaum zu verbergen. 40 Konzerne wurden konsultiert. Sechs Anbieter haben es in die Endrunde geschafft. Zwei Stoffe sind zugelassen, Astra- Zeneca wird bei Älteren wohl kaum verwendet werden. Es ist ein Politikum. Hinter vorgehaltener Hand wird gemauschelt. Es bleibt: Spannend.


Nervensache Lockdown

 

Die gemeinsame Beschaffungsaktion findet lobende Worte, auch wenn vielfach anderes zu hören ist. Es wurde mehr gekauft als eigentlich gebraucht, als Spende für unsere Nachbarn am West-Balkan. Eben aus Solidarität. Einiges geht auch nach Afrika, so Mayer. Kritik hingegen erntet Nachbar Ungarn für ein in Europa nicht zugelassenes Serum. Merkel wird als Zugpferd bei der Aktion genannt. Sie ist seit Jahren eng mit Ursula von der Leyen befreundet. Man kennt sich eben. Und sie haben blind miteinander gespielt.

 

Desaster Migrationspolitik

 

Merkel setzt auf Sichtflug. Da sind keine grossen Sprünge drin, angesichts der Umstände. Der Druck auf die EU bleibt bestehen, angesichts der zahlreichen Krisen. Es fällt der Begriff der kontrollierten Zuwanderung. Humanitäre Flüchtlingspolitik sei angesagt. Pardauz. Das wird wohl am Widerstand der Bevölkerung scheitern, angesichts der teils chaotischen Umstände in einigen Bezirken und Regionen. Mayer spricht gelassen von einer Verjüngung der europäischen Bevölkerung. Kein Wort jedoch ist zu vernehmen bei dem höchst brisanten Thema der Integration. Da war doch was??? Da werden wir wohl nochmals nachhaken müssen, hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!


Tendenz fallend …

 

… was die Wirtschaftskraft betrifft. China und Indien sind am aufsteigenden Ast. Wir werden Federn lassen müssen. Mayer nennt Bildung und Zusammenhalt. Wir mögen unser negatives Denken ablegen. Moment. Wir sind doch nur Realisten, mit viel Feingefühl. Thomas Mayer sagt: Impfen. Müssen wir uns Sorgen machen um das bisschen Wohlstand, unsere Errungenschaften und Werte,  schiesst es mir durch den Kopf?

Text: Thomas Winkler