Europa : DIALOG mit ...
Alexander Wrabetz
„Europa ist für mich Zukunft! Das Europa der Zukunft der Zukunft kennen wir nicht, aber wir haben heute die Möglichkeit, es bestmöglich zu gestalten. Die wesentlichen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit können nur auf europäischer Ebene gelöst werden.“ (Alexander Wrabetz)
Viel Information. Wenig Budget. Und stets dabei. Reporter, Kameraleute, Moderatoren. Und reichlich Konkurrenz: Die Herausforderung ist enorm, die Aufgabe komplex. Der ORF als Tor zur weiten Welt hat mit dem Song Contest so ziemlich alle Rekorde eingefahren, die ein öffentlich-rechtliches Medienhaus so erreichen kann. Alexander Wrabetz, Generaldirektor des Österreichischen Rundfunks ORF, plaudert aus dem Nähkästchen.
Song Contest: Merci!
Aktuelle Informationen aus aller Welt sind eine Sache. Dazu die Unterhaltungssparte mit Show, Krimi und SF, Wiederholungen inklusive. Und ein Highlight, das Mega-Event der absoluten Superlative: Der Song-Contest mit allen Facetten! 200 Millionen Zuseher sind eine klare Ansage. Professionalität macht sich bezahlt – Building Bridges ist mehr als nur ein Slogan. Was Branding betrifft, so spielt der ORF eine ganz wesentliche Rolle. Nationale Werte erobern die Welt, es geht nicht nur um Apfelstrudel. Der Song Contest hat budgetäre Dimensionen erreicht, die kaum vorstellbar sind. Und während andernorts die Budgets grosszügig gesprengt wurden hat es Wrabetz mit seiner versierten Mannschaft geschafft, die Dinge unter Kontrolle zu halten. Die Botschaft, die raus ging in die weite Welt, ist hingegen unbezahlbar. Das angestaubte Image der traditionsreichen Mozartkugel hat ausgedient.
Unabhängigkeit hat ihren Preis
Die EBU (European Broadcasting Union) als Netzwerk der besonderen Art agiert als News-Agentur und Schnittstelle für technische wie regulative Angelegenheiten. Ob Marokko, Algerien, Russland oder Weissrussland: Alle spielen mit. Nur so ist es möglich, dass die ganze Welt informiert wird, wenn es irgendwo brenzlig wird. Jeder hat das Recht auf Informationen, niemand wird ausgeschlossen: Berichterstattung braucht ein solides Netzwerk, um Klarheit in komplexe Dinge wie Politik oder Wirtschaft zu bringen, ohne dabei das Bild zu verzerren.
Von wegen Sendepause
Wenn`s um die EU geht, leistet der ORF ganze Sache. Ohne zuverlässige und zugleich neutrale Berichterstattung hätte es Brüssel ziemlich schwer, die Menschen zu erreichen. Sachlichkeit ist gefragt, in allen Bereichen, gerade auch in berührenden Momenten. Berichterstattung bedeutet Verantwortung, Meinungsbildung ist ein komplexer Prozess. Neue Medien bilden eine besondere Herausforderung. Smartphone & Co. sind immer dabei. Das Publikum ist über Facebook, Twitter und Apps leichter zu erreichen als mit dem Fernsehgerät, neue Wege sind gefragt.
Qualität schafft Vertrauen
Die tägliche Informationsflut überfordert. Es braucht gestandene Profis, um die Gewichtung einzelner Themen richtig einzuschätzen und einen entsprechenden und zugleich ansprechenden Informations-Mix zu gestalten. Sinnloses „aufmascherln“ der News geht garantiert daneben, was zählt ist die Wahrheit. Die ZiB 1 als ewiger Dauerbrenner ist aus dem Abendprogramm nicht wegzudenken, und das angesichts weiterer 100 Sender. Die Lorbeeren sind wohl verdient, das Programm hat Klassiker mit Tradition. Nachbar in Not hat sich zur tragenden gesellschaftlichen Säule etabliert, die schier grenzenlose Hilfsbereitschaft der Bevölkerung überrascht stets aufs Neue.
Merkelmania
Die Krise am Rande der EU hat Nebenwirkungen. Europa wird sich ändern müssen, so Wrabetz. Waren – und Kapitalverkehr sowie weitere wirtschaftliche Aspekte sind wichtig, aber eben nicht alles. Es muss investiert werden. Politik muss effizienter werden, um die Kraft des Kontinents nach aussen stärker zu vertreten. Man könnte meinen, Europa hängt von einer einzigen Nummer ab, nämlich jener von Angela Merkel. Auch wenn die überbordende deutsche Wirtschaftskraft ausschlaggebend war für die Gründung Europas, mit Merkel-Deutung alleine kommen wir nicht weiter. Wrabetz lacht. Scheitert die EU gar an der Flüchtlingsfrage? Migration und Integration jedenfalls werden uns noch lange begleiten, da führt kein Weg rum. Die Sprachbarrieren müssen überwunden werden, trotz aller Integration darf die Herkunft jedoch nicht untergehen im kulturellen Poutpourri der Neuzeit. Es braucht eine kulturelle Identität.
Sparmeister, aber kein Wunderwuzzi
Mehr Programm mit weniger Mitarbeiter. Das klingt ganz nach Effizienz. Doch es gibt Grenzen, irgendwo steht jedes System an. Dazu kommt, dass es neue Medien braucht, um die Information zu den Menschen zu transportieren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind ein Kapitel für sich, die neuen Konzepte kosten. Doch irgendwie muss die Botschaft rüber kommen. SocialMedia, Twitter und Facebook als informatives Paralleluniversum gefährden die Gesellschaft, so Wrabetz. Die Gefahr der einseitigen Information darf nicht unterschätzt werden, zumal die Quellen in diesem Bereich nicht unbedingt nachvollziehbar sind. Bewusste Fehlinformationen sind zu befürchten. Das klingt nach Sprengstoff für die Gesellschaft. Was geht wirklich ab? Die Jugend jedenfalls ist über mobile Geräte am besten zu erreichen. New Media kostet Geld, sonst gibt`s einmal mehr die 274. Folge vom Tatort, als Wiederholung. Sparen ist angesagt. Hat Brüssel vergessen, dass die öffentlich-rechtlichen ÜBERLEBENSWICHTIG sind? Text & Fotos: Thomas Winkler
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