Europa : DIALOG mit …Anneliese Rohrer
… moderiert von Benedikt Weingartner
„Europa ist für mich ein gequälter Kontinent, der mit der EU die Chance auf dauerhaften Frieden bekommen hat. Dieser ist aber nicht mehr garantiert. Daher ist Europa ein verunsicherter Kontinent.“ (A. Rohrer)
Um einen umfassenden 360-Grad-Rundumblick auf das komplexe Szenario der Politik zu erstellen braucht es ein fundiertes Wissen über Innen- und Aussenpolitik. Hintergrundinfos und Anekdoten über die Geschehnisse hinter den Kulissen und Fassaden ergeben vielfach ein nicht unbedingt stimmiges Ganzes, welches durch Medien abgerundet, ergänzt und mitunter recht erfrischend aufpoliert wird. Um es auf den Punkt zu bringen: Anneliese Rohrer, die Grande Dame des gegenwärtigen Polit-Journalismus, nimmt die aktuellen Tendenzen und Ereignisse ins Visier. Einmal mehr erfahren wir, dass die Ereignisse der heimischen Politik indirekt nach Brüssel strahlen.
Fehler in der Aussenpolitik
Die nicht sonderlich rühmlichen Vorgänge zuhause haben einen langen Schatten auf die EU-Wahl geworfen. Diese hatte mit der EU-Wahl an sich nicht unbedingt viel gemeinsam. 44.000 Vorzugsstimmen für den einstigen Vize werfen ein trübes Licht auf das ohnehin recht verworrene Szenario. Ob das mit rechten Dingen zugeht? Sei`s drum, in Österreich ticken die Uhren anders. Das dicke Ende sollte noch kommen. Mit einem Schlag waren wir die Regierung los. Die Ibiza-Affäre entwickelte weitere Sprengkraft, den HC hat`s aus der Politlaufbahn geschossen. Rückblende: Europapolitik gab es hier bis Jänner 95. So die vornehm-nasal nuschelnde Nörglerin der Nation. 94 war das Jahr in dem es nix zu meckern gab. Man ergab sich einem politischen Hochgefühl, keine noch so kleine Wolke trübte den Polithimmel. Doch sehr schnell war das säuerlich-näselnde Geräusch wieder in aller Deutlichkeit zu vernehmen. Das Pro-EU-Feeling war merklich im Abklingen, Rohrer wurde zusehends aktiver.
Die alte Schnitzelg`schicht
Es wurde verabsäumt, Emotionen für das Projekt Europa zu entfachen. Die Begeisterung flaut ab, Gurken und andere Themen bereicherten die Meldungen des Tages. Man muss ja nicht alles verstehen, aber ein paar Zusammenhänge zu liefern wäre fein gewesen. Die EU verkauft sich schlecht, bis heute. Finanzielle Aspekte wurden in den Vordergrund gerückt, man überhäufte uns mit Zahlen. Papier ist geduldig. Die wahren Werte jedoch blieben stets im Hintergrund. Frieden. Reisefreiheit. Klar, dass hier kaum Emotionen aufkommen. Heute sind diese Dinge selbstverständlich, aber weit ab von dauerhaft gesichert. Dazu müssen wir schon ein klein wenig beitragen.
Erasmus: Neue Perspektiven!
Die Generation Erasmus ist gefestigt. Die Nachkriegsgeneration hat viel mitgemacht. Nur die dazwischen, die sind anfällig. Jede noch so kleine Störung sorgt für einen Aufschrei. Traktorsitze, Confiture und andere Köstlichkeiten versüssen uns den Tag. Sogar der Ausschnitt beim Dirndl beschäftigt die emsig wirkende Bürokratie. Zugegeben, das Werk`l ist kompliziert aufgesetzt, so Rohrer. Die Blödheiten aber, die kommen aus den Mitgliedstaaten. Demokratische Strukturen brauchen Erklärung. Europaverständnis ist wichtig. Marmelade auch. Jörg Haider hat das Kind weggelegt. Fehlt es gar am politischen Verständnis?
Wirbel um Stenzel
EU-Abgeordnete Stenzel hat Rohrer ein nicht unbedingt rühmliches Schlüsselerlebnis geliefert. Frei Haus. Diese hat sich doch glatt beklagt, wie mühsam, schlecht und schäbig der Job in Brüssel sei. Autsch. Der Hass auf Brüssel war kaum zu überhören. Irgendwie hat sie die Kurve nicht gekriegt. Nur die Besten dürfen nach Brüssel. Sonst wird`s nix. Stenzel jedenfalls war der Job zuwider. Sogar die FPÖ hat konstruktiv gearbeitet in Brüssel, von Vilimsky mal abgesehen. Benedikt Weingartner strahlt. Rohrer lacht. Das stets nasale Gesäusel klingt an dieser Stelle vertraulich und nett, ehrlich. Und ganz ohne schräge Hintergedanken. Haiders Angstmache um Brüssel hat viel Vertrauen gekostet.
Opportunisten und Miesmacher
Am Flug von Brüssel nach Wien geschehen seltsame Dinge mit den Volksvertretern. Vergesslichkeit der heftigen Sorte macht sich bemerkbar. Dinge werden bis zur Unkenntlichkeit verdreht und verwurschtelt. Burgenland und auch Niederösterreich haben merklich profitiert, die Regionen boomen regelrecht. Die Diskrepanz zwischen Schreibe und Taten ist enorm, sogar die Grünen sind gescheiter worden. Bei Kurz ortet Rohrer Opportunismus. Die Türkisen haben traditionelle Themen der FPÖ frei übernommen und sich auf die Fahne geheftet. Abhängig von der Stimmung zuhause wird Europapolitik gemacht. Es ist nicht egal, wer bei uns zuhause lebt. Dazu der Schnitzelsager, der von Rot aufgewärmt wurde. Was den österreichischen Ratsvorsitz 2018 betrifft, da müssen wir froh sein, dass nix passiert ist. Was tragen wir wirklich bei zu Europa?
Wir brauchen Verbündete!
Was fehlt, sind Mitkämpfer. Und eine klare Linie. Erst haben wir die Frontex-Finanzierung blockiert, dann wieder vorangetrieben. Allein sind wir schwach, wir brauchen starke Partner. Sogar die Ungarn entwickeln mehr Dynamik. Warum halten wir uns nicht an die skandinavischen Länder, damit wir mehr auf die Waage bringen? Die Polemik um Migration und Flüchtlinge nervt, die Schuld hat, eh klar, Brüssel. 258.000 Wähler sind von der FPÖ zu Türkis geflutscht, aufgrund der bekannten weil beliebten Themen. Sie haben das Gesetz gebrochen. So Rohrer. Nasal. Kurz kriegt eins ab. Politik ist komplex. Demokratie auch. Seenotrettung kann man nicht kriminalisieren. Es geht um Völkerrecht. Seit 2017 ist ein offener Zug zur Bösartigkeit erkennbar. Geld für unsere Leute. Nicht für Ausländer. Uuups. Das sind doch EU-Bürger??? Der Unterton wird energisch, wird sind am falschen Weg. Rohrer sieht es eben nicht gern, wenn Menschen gegeneinander ausgespielt werden.
Viele Krisen. Zu wenig Persönlichkeiten!
Die Türkei liegt nicht unbedingt in unserem Einflussbereich. Der Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge wird kritisiert. Wieder ein Versagen der EU. Die Verhandlungen mit der Türkei wären einzustellen, das bringt uns nicht weiter. Wir haben keine Verbündete. Haben wir bereits gehört. Haben wir eine Stabilitätskrise in Österreich? Vor Feber / März werden kaum eine neue Regierung haben, so Rohrer. Nicht die Politik ist schuld. Wir haben es zugelassen. Kurz ist Opportunist. Mit Grün gibt es Zwistigkeiten. CO2-Steuer. Mit den NEOS wäre es interessant. Schwarz-Rot ist Zeitverschwendung. Bei Türkis-Grün spiesst es am Handel. Auch Asyl ist kritisch, ebenso Umwelt. Viele Möglichkeiten bleiben da nicht. Dazu kommt, dass Mandatare plötzlich anderwärtig zu tun haben. Kogler ist ein Wunderwuzzi. Aber er kann sich nicht teilen. Und das ist gut so. Obwohl wir den einen gewählt haben, kriegen wir den Anderen. Es fehlt an Respekt vor der Demokratie. Ist es höhere Gewalt? Oder sind wir schon so abgestumpft? Rohrer übt sich in Unverständnis.
Politik: Die hohe Kunst der … Illusion
Ein Politiker kann fordern. Er muss fordern. Was er nicht fordert bekommt er nicht. Nein, es geht nicht um HCs Spesenkonto. Wir brauchen Reformen. Benedikt Weingartner will Vorschläge. Rohrer näselt verlegen vor sich hin. Nörgelt. Vorschläge hat sie keine. Sie wirkt überfordert. Die Grande Dame ist Journalistin. Mit Leib und Seele. Für Konzepte ist die Politik zuständig. Aber sie hat Ansätze. Reichlich nasal fallen die Themen Sozialpolitik. Vereinheitlichte Asylpolitik. Aufhebung der Einstimmigkeit. Dazu das Drama um die Landesverteidigung. Sogar die Gulaschmaschine hat Löcher. Da und dort braucht es die Zustimmung der Bevölkerung. Demokratie ist Illusion? Wir leben in einer Scheinwelt. Gerade auch, was die Neutralität betrifft. So Rohrer. Wer fürchtet sich vor der Kronen-Zeitung?
Brexit: Lügen ohne Ende
Viele Katastrophen sind aus Zufall entstanden. Lügen ohne Ende sind die Ursache für den Brexit. Die Briten quälen uns seit den 80igern. Sie fordern. Und fordern. Mit den Briten ist es wie in der Ehe. Schatz, ich verlasse dich. Warum steht der Trottel abends wieder in der Tür? Der Fall ist nicht mehr aufzuhalten. Es war eine politische Entscheidung. Eine Dummheit. Ibiza hat dem Ausmass der Dummheit eine gänzlich neue Dimension verliehen. Nein, Rohrer hat nichts gegen Kurz. Zumindest … sagt sie das. Wir glauben es. Aber warum, in Gottes Namen, ist er nicht ins Parlament gegangen, um zu reden? Besenkammer-Politik ist zu vernehmen. Nasal. Enttäuscht. Wieder Schelte für Kurz. Wir wollen keine Ausreisezentren. Nur etwas Menschlichkeit. Kern war kein guter Politiker. Er stand sich selbst im Weg. Syrien taugt für ein Endzeit-Szenario, sobald wir nur daran denken, uns dort einzumischen. Nur keine sinnlosen Provokationen.
Erweiterung: Das ging zu schnell!
Es fehlt an Demokratie und Rechtssicherheit. Dazu die Korruption. Es waren rein materielle Aspekte bei der Erweiterung. Zugegeben. Wir sind auch nicht perfekt. Aber wir bemühen uns!? Wir müssen uns bemühen. Und aktiv werden! Fragen wir uns einfach, was wir für das Land tun können. Den Kickl könnte sie am Mond schiessen. Zack. Zack. Zack. Eigentlich ist es ein Jammer hier in Österreich. Rohrer hofft, wieder jene Euphorie zu erleben, die wir 95 hatten…
Text & Fotos: Thomas Winkler |