Europa : DIALOG mit …
Heinz-Christian Strache
Vizekanzler & Bundesminister für öffentlichen Dienst & Sport
Bewegt. So einfach ist die Haltung der FPÖ zur Europäischen Union am leichtesten zu beschreiben. Alles fliesst, Dinge entwickeln sich. Wir lassen niemand kalt, so das Motto. Wir pulsieren. Wir polarisieren. Immerhin: Die Einstellung der Freiheitlichen ist grundvernünftig und solide, so jedenfalls scheint es. Das war nicht immer so. Die Kritik an Dingen zeugt von Selbstbewusstsein, und eigenen, ziemlich konkreten Vorstellungen einer Europäischen Union. Kontinuität wird erkennbar. Der Vizekanzler und Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport wirkt erfrischend gereift, fast schon konservativ und damit bereits recht sympathisch. Die bevorstehende Ratspräsidentschaft ist eine gute Gelegenheit, Performance zu zeigen. Zugegeben, in der kurzen Zeitspanne gehen sich eben mal ein paar Anregungen aus, den grossen Wurf wird es nicht spielen. Das geht sich nicht aus.
Alles! Oder weniger und besser?
Das europäische Projekt, es geht zurück auf die Kohle-Stahl Union, so Strache. Die Entwicklung verlief positiv, irgendwie kam es zu einer ideologischen Wende. Zentralistisch. Oder doch föderalistisch? Scheinheiligkeit war im Spiel, es wurde beschwichtigt was das Zeug hielt: Heute sprechen wir von Nationalismen. Das Wort effizient hängt in der Luft. Mehr oder doch effizienter ist die Frage, das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten haben wir bereits. Hier Sauseschritt dort Stillstand. Immerhin, Strache erkennt Themen. Die einst harsche Kritik am europäischen Konstrukt ist abgeflaut. Wohlwollen macht sich breit, zumindest in einigen Punkten. Denn: Kritisch sein bedeutet noch lange nicht, ein Feind der EU zu sein, so Strache. Prompt folgt eine Lobeshymne auf Kultur und Vielfalt, Krisen bieten Extra-Chancen. Lediglich die eindimensionale Darstellung der Szenerie trübt das Bild. „Die in Brüssel entscheiden“, der Zentralismus kriegt eins ab.
Macht Europa dicht?
Die Personenfreizügigkeit steht am Prüfstand. Strache ortet Probleme. Er befürchtet einen Verdrängungswettbewerb. Der Osten werkt im Westen. Unser Geld schafft Wohlstand, für die im Osten. Wir hungern. Naja. Ganz so ist es nicht. Trotzdem: Die Umstände geben zu denken, alles deutet auf einen Niedriglohnsektor hin. Ein Grundpfeiler der EU scheint irgendwie im Wege zu stehen. Was wollen wir wirklich? Die Türkei bezeichnet er als teuren Partner. Zu gerne wird vergessen, dass die Türkei drei Millionen Flüchtlinge beherbergt. Und mit der türkischen Demokratie ist`s auch so eine Sache. Strache ortet „Erpressbarkeit“. Der Begriff der europäischen Nachbarschaft müsste demzufolge neu definiert werden. Und was die Flüchtlinge in der Türkei betrifft: Deren Versorgung muss gesichert sein und funktionieren, sonst gehen die Probleme erst richtig los.
Gesprächsbereitschaft erforderlich!
Was die Ukraine und die Krim betrifft: Die Warnungen waren nicht zu überhören. Bilaterale Gespräche waren angesagt, es folgte eine Krise. 10 Millionen Russen kamen zum Handkuss. Wo viel passiert gibt`s Schuldige. Etwas mehr Fingerspitzengefühl wäre doch angebracht. Zumal die EU kein sonderlich gutes Händchen hatte, was dieses Thema betrifft. Ähnlich brisant ist nur das Schlagwort „Schuldenunion“. Griechenland als Synonym für hoffnungslos abgebrannt sollte uns hellhörig machen. Wer sich an Vorgaben gehalten hat brennt. Das Wort „Haftung“ steht im Raum. Wer zahlt die Zeche? Zumal: Auch andernorts kriselt es. In Italien zofft es mächtig. Hier könnte sich ein neues Desaster anbahnen. 250 Millionen stehen im Raum. Was Griechenland betrifft, so werden wir das Nachsehen haben. Strache redet Klartext. 50% Jugendarbeitslosigkeit in Italien lässt Chancen vermissen, an Perspektiven brauchen wir erst gar nicht zu denken. Es müssten Strukturen geschaffen werden, hier wie dort. Unzufriedenheit ist erkennbar. Die sozialen Standards weisen ein enormes wirtschaftliches Gefälle auf, die Indexierung des Familiengeldes steht am Prüfstand. Überhaupt, es braucht neue Standards, von wegen Gleichberechtigung der Partner. Geben. Nehmen. Austeilen. Strache findet reichlich Haare in der Suppe. Auch mit dem Einstimmigkeitsprinzip ist es so eine Sache. Einer kann alles blockieren. Doch irgendwie brauchen wir einen effektiven Schutzmechanismus, ein Veto, damit die „Kleinen“ nicht unter die Räder kommen.
Kompromisse. Szenarien. Visionen!
Strache scheint auf Szenario 4 zu setzen. Effizienz ist gefragt. Doch es stehen viele offene Fragen an. Wohin wollen wir? Dann die Hoheitsrechte. Welche Kompetenzen geben wir ab? Von der Digitalen Revolution sind wir weit entfernt, mit dem Klimaschutz ist es auch so eine Sache. Überhaupt, es gibt wenig konkrete Punkte am Spielfeld, und zu viel Unverbindlichkeit. Das wiederum schadet der Planbarkeit. Floskeln, Begriffe und Szenarien lassen kaum eine Richtung erkennen, eine Universallösung gibt es nicht. Zudem: Es scheint eine Renationalisierung erkennbar, das könnte Probleme machen.
Aussengrenzen dicht!
Asyl ist Menschenrecht. Es geht um Hilfe – im äussersten Notfall. Wunschdestinationen sind in der Asylangelegenheit nicht berücksichtigt, zumal viele Wirtschaftsflüchtlinge dabei sind und reichlich Missbrauch erkennbar ist. Es braucht Differenzierung. Die Grundidee wäre gut, ist aber gescheitert. Strache bringt die Verantwortung gegenüber der eigenen Bevölkerung zur Sprache. Die Politik hat versagt. Jetzt helfen nur Aussengrenzen. Entsprechend soll Frontex aufgerüstet werden. Denn: Wenn alle draussen bleiben, gibt es wenig Probleme mit der Verteilung. Überhaupt, mit der Willkommensstruktur ist es eine spezielle Sache, mittlerweile entwickeln sich lokale Angstszenarien in der heimischen Bevölkerung. Strache bringt es unverblümt am Punkt. Die Überlegung, den aktuellen Trend mathematisch hochrechnen liefert ernüchternde Zahlen, das gewohnte Weltbild mutiert zu einem gänzlich anderen Szenario mit befremdlich wirkenden Akteuren.
Wir müssen sparen!
Es gibt rund 50 Tausend EU-Beamte. Dem gegenüber stehen 345.000 Beamte in Österreich gegenüber. Fazit: Die Relationen stimmen irgendwie überhaupt nicht. Das Wort Performance ist nicht einmal angedacht, zumindest nicht vernehmbar. Strache spricht von Absurdität. Hier sollte mal angesetzt werden, das könnte Einsparungen bringen. Zuhause. Und Frontex kostet rund 47 Euro pro Kilometer bewachter Grenze. Hier wiederum sollte man ausbauen. Überhaupt, in der Politik arbeiten auch nur Menschen …
Text & Fotos: © Thomas Winkler |