Eric Frey
Europa : DIALOG mit …Eric Frey
… moderiert von Benedikt Weingartner
„Europa ist für mich eine grossartige politische Vision, die Realität geworden ist, und in der ich mich ganz und gar zuhause fühle.“ (Eric Frey)
Eine Demokratie ist nie stabil. Eine Demokratie ist immer in der Krise. Okay, das ist vielleicht etwas direkt formuliert. Sagen wir vielleicht: Es ist eine labile Angelegenheit. Die Kräfte zerren von allen Seiten. Sie drängen in alle Richtungen. „Der Standard“ – Redakteur Eric Frey weiss wovon er spricht. Er ist Analytiker mit Leidenschaft. Das spürt man sofort. Er kennt die Politlandschaft und Brüssel ganz besonders. Er weiss, wie komplex die Sache ist. Doch wie stark ist die europäische Demokratie? Brüssel sagt. Brüssel entscheidet. Die da oben. Dort in Brüssel.
Gemeinde. Provinz. Bundesland. Europa.
Politik findet statt. Auf verschiedenen Ebenen. In vielen Nuancen und Facetten. Demokratie bedeutet: Die Mehrheit entscheidet. Theoretisch ist das auch so. Aber eben doch nur theoretisch. Denn die Mehrheit entscheidet nicht immer. Es geht um die Schaffung politischer Entscheidungsstrukturen. Die Idee dabei ist, sich jener zu entledigen, die man gar nicht mag. Klartext: Auch die Mächtigen können abgewählt werden. Ungarn und Polen haben Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit. Pluralistische Prozesse halten die Balance in einem labilen System. Orbán sitzt fest im Sattel. In Budapest hat er jedoch an Terrain verloren. Das gibt Hoffnung.
Geschenke fürs Volk
Wahlzuckerl im Wert von 10 Milliarden Euro in Polen. Da will jemand unbedingt an die Macht. Doch irgend jemand wird es zahlen müssen. Der Absturz ist unausweichlich, das kann nicht gut gehen. Zu viele Versprechen sollten nachdenklich stimmen. Kreisky hat uns reichlich Schulden hinterlassen. In Polen geht es um die Unterwanderung der Gerichtsbarkeit und der Medien. Der Prozess sollte kritisch hinterfragt werden. Es geht um Rechtsstaatlichkeit. Dunkle Elemente trüben das Bild im vereinten Europa. Auch mit der Korruption ist das so eine Sache. Doch um es vorweg zu nehmen: Es gibt kein demokratisches Defizit in Europa.
Strukturen für die Entscheidungsfindung
Demokratie im Rat. In der Kommission und auch im Europäischen Parlament. Der Gerichtshof ist ebenfalls demokratisch. Hört sich einfach an. Ist aber sehr komplex. Rückblende: Der Griechen-Premier wollte sein Volk entscheiden lassen, ob es mit dem Sparpaket aus Brüssel einverstanden ist. Man wollte es nicht. Er hat die Botschaft nach Brüssel getragen. Und musste mit gesenktem Haupte nach Hause ziehen. Es war ein Canossagang. Demokratie ist ungerecht. Brüssel hat beschlossen. Die europäische Ebene zählt. Da haben die Griechen nix zu lachen. Was die wollen, interessiert niemand in Brüssel. Wir leben in einer Demokratie.
Protestwähler bestimmen EU-Wahl
Was zuhause daneben geht dringt durch bis nach Brüssel. Nationale Ereignisse und Katastrophen wie Strache haben dafür gesorgt, dass die Wahlbeteiligung gestiegen ist. 28 demokratisch gewählte Regierungschefs sitzen beisammen. Nationale Elemente stören. Das Europäische Parlament müsste mehr Macht haben. Alle Macht nach Brüssel? Nein. Das wollen die Menschen nicht. Die nationale Ebene ist kaum auszuschalten. Politik ist eine vertrackte Angelegenheit. Einer will. Einer will anders. Andere wollen gar nicht. Und da soll man auf einen grünen Zweig kommen? Geht nicht.
Muss gehen!!!
Europa ist in einem Trilemma. So Eric Frey. Das Tischtuch ist einfach zu klein. Es braucht Kompromisse. Wir können nicht alles haben. Die europäische Integration wäre ein Ausweg. Mit viel Schwindelei wurschteln wir uns ans Ziel. Das Einstimmigkeitsprinzip ist ein Problem. Einer allein kann blockieren und Beschlüsse kippen. Das erklärt, dass Fortschritt eine sehr mühsame Sache ist. Doch die nationalstaatliche Ebene zu eliminieren bringt Ärger. Also lassen wir das. Nur 20% der europäischen Bevölkerung wären dafür. Das ist also keine Lösung. Es braucht Kompromisse. Dann der Rat der Landeshauptleute. Machtspiele dominieren das Geschehen. Brüssel hat gesprochen. Autsch.
Spitzenkandidat: Gemeinsame Entscheidungsfindung.
Es braucht Nachdruck. Das Wort Erpressung lassen wir weg. Doch Weber war keine gute Idee. Situationselastische Lösungsansätze haben uns Ursula von der Leyen gebracht. Best Practice hat was auf sich. Timmermans wäre Spitzenkandidat gewesen, doch das wäre sich nie ausgegangen. Weber wurde von Merkel geboostet. Doch alle wussten, das geht nicht. Transnationale Listen wären ein Ausweg. Doch unbekannte Namen auf einer langen Liste könnte die Wahlbeteiligung schmälern. Also lassen wir auch das, da müsste die Taktik im Wahlkampf wesentlich anders aussehen. Eine 2-Rundenwahl birgt einige Gefahren und könnte eine Niederlage für die Demokratie bedeuten. Also wieder keine gute Idee. Van der Leyen ist besser als Weber.
Komplexer Entscheidungsprozess
Es ist nicht einfach, Entscheidungen zu treffen. Überhaupt wenn`s um etwas geht. Es braucht Kompromisse. Kein Wunder, dass Verhandlungen hinter verschlossener Tür stattfinden. Das ist gut so. Gibt es dann ein Resultat wird es präsentiert. Best Practice eben. Steuerpolitik ist Ländersache. Punktum. Auch aussenpolitisch braucht es Einstimmigkeit. Europa ist dort stark, wo es den Widerstand einzelner Länder ignoriert werden kann. 2015. Der Verteilungsschlüssel. Es gab Aufschreie. Wer kommt in mein Land? Irgendwie hat es dann noch nicht geklappt.
Sommerzeit: Wenn`s draussen finster bleibt …
Um 10 Uhr geht die Sonne auf. Das geht nicht. Es wurde abgestimmt. Demokratie lebt. Die Sommerzeit bleibt uns erhalten. Frey lacht. Das ist Demokratie. Probleme werden gelöst, indem Kompromisse gefunden werden, die in der Praxis bestehen. Und das ist gut so. Sonst hätten wir Stillstand oder überhaupt ein Fiasko. Und erst der Brexit. Es gibt keine Referendum, wo nicht gelogen wird. Überhaupt, die Entscheidung war schwarz-weiss. Wissen was wir nicht wollen ist eine Sache. Doch was wenn wir nicht wissen, was wir wollen? Eric Frey nennt es einen verunglückten Prozess. Da waren falsche Prämissen im Spiel. Erinnern wir uns an die Wehrpflicht. Und an Zwentendorf. Auch da waren Wendehälse am Werk.
Demokratie in der Krise.
Trump. Putin. Oder Erdogan. Die Glaubwürdigkeit der Medien steht am Prüfstand. Social-Media boomt. Trump mutiert zum Twitterkaiser. Russland ist am Weg zur Demokratie. Die Zeiten ändern sich eben. Trump gilt mittlerweile als demokratischer Betriebsunfall. Sagt Frey. Das System wehrt sich gegen den Fremdkörper. Trump wirkt zusehends nervös. Die unfehlbare Weisheit Trumps wirkt zusehends durchlöchert. Auch autoritäre Figuren brauchen mitunter einen Dämpfer. Ungarn und Polen sind noch lange nicht verloren. Öffentlicher Druck ist eine feine Sache. Das hat sogar bei der FPÖ funktioniert. Der antieuropäische Rechtspopulismus, AfD, die Salvinis und Straches haben die Wähler mobilisiert. Es macht durchaus Sinn, sich für Politik zu interessieren und nicht alles zu nehmen, wie es uns vorgesetzt wird. Wir sind mündige Europäer!
Spannungsfelder rundum
Globale Wirtschaft. Nationalstaatlichkeit und Integration bilden ein enormes Spannungsfeld, dessen Entwicklung kaum prognostizierbar ist. Probleme werden zusehends globaler. Es braucht demokratische Strukturen. Vilimskys Europa der Nationen ist keine gute Idee, das bedeutet Reibungsverlust ohne Ende. Wir wollen Friede. Freiheit. Wohlstand. Rechtssicherheit. Toleranz. Ja, so könnte uns Europa gefallen. Text & Fotos: Thomas Winkler |