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Wolfgang Mazal

 

Europa : DIALOG mit …

Wolfgang Mazal

 

Universitätsprofessor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien

 

„Europa ist für mich das in jüdisch-christlich-griechisch-römischer Tradition wurzelnde Streben, Balance zwischen Erfordernissen der Gemeinschaft und Freiheit des Einzelnen immer neu zu bestimmen, um Vielfalt im Zusammenleben zu sichern.“ (W. Mazal)

 

 

Wolfgang Mazal im Haus der Europäischen Union, Wien

 

Sein Rechtsgutachten ist für die Bundesregierung tragende Säule für die Indexierung der Familienbeihilfe. Kritiker vertreten den Standpunkt, dass ArbeitnehmerInnen aus anderen EU-Mitgliedstaaten benachteiligt werden und wollen Diskriminierung erkennen. Was hat es damit auf sich?

 

Wolfgang Mazal

 

Österreich ist Europa

 

Das österreichische Arbeitsrecht basiert auf europäischem Arbeitsrecht. Es geht um Konvergenz, um europäische Regeln. Es gibt noch viel zu adaptieren, die Entwicklung verlangt ihren Tribut. Immerhin, der Fortschritt ist erkennbar, Juristen und Gesetzgebung haben vieles integriert. Es geht um Flexibilisierung, um ein neues Verständnis für Normen. Casus-orientiert ist der neue Ansatz, und dieser ist für die Justiz eine enorme Herausforderung. Entsprechend mehr Auslegungsspielraum ist gegeben, die Entwicklung ist schwer prognostizierbar, ebenso das Ergebnis. Weiche Formulierungen schaffen aber auch Unsicherheit, wobei die politische Wetterlage eine nicht zu unterschätzende Komponente bildet. Kompromissfähigkeit ist gefragt.

 

Wolfgang Mazal

 

Unterschiedliche Standpunkte und Traditionen

 

Die Materie ist komplex, so W. Mazal. Unterschiedliche Traditionen und Prägungen bewirken unterschiedliche Standpunkte, dazu der Wunsch nach Kohäsion. Uniformität bedeutet Vielfalt. Doch wie sieht es mit der Rechtssicherheit aus? Allein der Gedanke einer Sozialunion lässt höchst unterschiedliche Ansätze erkennen. Defizitabdeckung wäre eine plausible Interpretation einer an sich erstrebenswerten Vision, wären da nicht so viele differenzierte Facetten und Untertöne erkennbar. Mazal bringt das Alte Testament ins Spiel. 40 Jahre Wüste, 60 Jahre Europäische Union. Einfach mal ins gelobte Land schauen. Wir sind 20 Jahre dabei. Und jetzt?

 

Wolfgang Mazal

 

Ziehen. Blockieren. Querbraten.

 

Generell versuchen ALLE zu überzeugen. Das Wahlverhalten ist verhalten und keinesfalls so, wie es die Mächtigen wollen. Die Bevölkerung jedoch taxfrei zu assozialen Idioten zu erklären spielt`s nicht, so Mazal. Es ist fatal, Sorgen zu ignorieren. Das Gebot der Solidarität sollten wir ernst nehmen, nicht nur moralisch, auch finanziell. Punktum. Es geht um konkrete Vereinbarungen, so dieser weiter, die regionale Gesellschaft ist aufgefordert, Probleme zu lösen. Es betrifft Bildung, Wohnen, Arbeitslosigkeit, Mobilität. Ältere Kosten zu viel. Mazal kann sich hier neue Ansätze vorstellen. Die Älteren wird`s freuen, oder auch nicht. Wie das konkret aussieht, wird sich zeigen. Dazu das Ost-Westgefälle, das seit jeher stets für Turbulenzen gut ist, aufgrund der unterschiedlichen Entwicklung und Situation.

 

Wolfgang Mazal

 

Zur Orientierung Benchmarks

 

Alles im Gleichklang geht nicht, Best Practice ist nicht praktikabel, das steht fest. Die Differenzen sind zu gross, speziell was die Differenzen auf europäischer Ebene betrifft: Mazal hofft auf gelassenen  gesellschaftlichen Zugang, auf Entwicklung und Fortschritt. Benchmarks wären eben mal Orientierung, der Weg ans Ziel ist steinig. Bottom-up ist unsere Chance, Selbstfindung zählt. Das Fly-over Prinzip der Elite hat ausgedient, siehe Trump. Es geht um Verrat an der Demokratie, „drüberfahren“ gilt nicht. Einfach entwickeln lassen lautet die Devise, mit Bauernopfer ist niemand geholfen. Und: Je mehr über die hergezogen wird umso länger dauert der Prozess. Applaus im Publikum. Hoffentlich sind die Verantwortlichen auch lernfähig.

 

Wolfgang Mazal und Benedikt Weingartner in Europa : DIALOG

 

Wohlstand auf Kosten der nächsten Generation?

 

Nein, das spielt`s nicht. Auch wenn es Tradition hat, es braucht konsequentes Umdenken, um die soziale Weiterentwicklung nicht zu gefährden. Sorge ist erkennbar, da und dort, es gibt Krisenherde. Die Kommission ist gefordert, doch das kennen wir bereits. Wenn`s brennt, gibt`s den bereits bekannten Hilferuf nach Brüssel. Was Arbeitszeit betrifft, es gibt Kapazitätsgrenzen, die Debatten wirken reichlich verzerrt. Was die Familienbeihilfe betrifft, so braucht es Sachgerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit. Kaufkraftberichtigung steht deutlich im Raum, doch gibt es viele Missverständnisse. Unterschiede im System schlagen Wellen, Familienbeihilfe ist keine Sozialhilfe sondern der Familienhilfe zuzuordnen. Der EuGH ist gefragt, um Klarheit zu bekommen, hier braucht es den Dialog, um das Vertrauen ins System wieder zu stärken. Es geht um die Koordinierung der sozialen Sicherheit in Europa.

 

Wolfgang Mazal - Benedikt Weingartner

 

Kostenexplosion in der Verwaltung

 

Unterschiedliche Mechanismen verursachen unterschiedliche Kosten in der Verwaltung. Diese reichen von marginal bis exorbitant, kurzum: Die Lösung liegt in weiter Ferne, es geht um methodische Probleme. Irgendwie hat Mazal in ein Wespennest gestochen, auch Altersarmut kommt zur Sprache. Menschen treten zu früh aus dem Erwerbsleben aus. 50plus macht Sorgen. Dazu Jahre der Kindererziehung. Wenigstens in diesem Punkt wird Licht am Horizont erkennbar. Tradition bedeutet Kultur, Werte kosten Geld. Ist einfach so.

Die Schuldenpolitik der Vergangenheit hinterlässt Spuren. Wer zahlt die Rechnung?

 

Fotos: Europa : DIALOG / Katharina Schiffl

Text: Thomas Winkler