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Gudrun Harrer

 

 

Europa : DIALOG mit …

Gudrun Harrer

 

Moderation: Benedikt Weingartner

 

„Europa ist für mich bzw. sind für mich freie Grenzen für Studierende. Ich habe in den 1980er Jahren in Italien studiert und musste mich hinten anstellen.“ (G. Harrer)

 

Gudrun Harrer und Benedikt Weingartner

 

Die führende Nahostexpertin im Haus der EU. Spannung garantiert. Obwohl im Wahlkampf kein Wort  über das brisante Thema gefallen ist, bestimmt es Woche für Woche die Themen der renommierten Medien. Es gilt, die Region der Flüchtlinge zu stabilisieren, doch es ist keine Lösung in Sicht. Im Zeitraffer: 2001 gab es Krieg. 2019 diskutieren wir über ein Power-Sharing mit regionalen Kräften. Afghanistan. Taliban. Der Krieg als Fluchtursache. Was geht ab in Syrien?

 

Gudrun Harrer - Nahost-Expertin

 

Die Russen spielen mit!

 

Türkische Truppen in Syrien. Ja, es gibt Regionen, die für die Türkei interessant sind. Überhaupt, es sind sehr viele externe Komponenten auf sehr unterschiedlichen Schauplätzen aktiv, auch Russland entwickelt Aktivitäten. Kritik von der EU und Aufregung um die Kurden hinterlassen weite Verwirrung. Zuletzt haben die Amis Ölfelder bewacht. Tägliche wechselnde Szenarien sind an der Tagesordnung, kein Wunder, dass schon mal der Falsche eins überkriegt. Sei`s drum. Die Angelegenheit ist eben komplex. Tumulte sind an der Tagesordnung. Die Kernfrage lautet: Wie kriegen wir Assad endlich weg?

 

Gudrun Harrer, Nahost-Expertin bei "Der Standard"

 

Variable. Unbekannte. Zufälle!

 

Es kam, wie es kommen musste. Nämlich anders als geplant. Alle wollten Assad loswerden, letztlich hat er die Schlacht gewonnen. Die Forderung, er müsse gehen wirkt angesichts der Umstände wie eine billige Lachnummer. Wenn`s bloss nicht so traurig wäre, so geht`s nicht. Der politische Prozess hat begonnen, die Herausforderungen sind enorm. Die Diplomatie mit Damaskus liegt auf Eis, Sanktionen erschweren das Problem. Stillstand. Um Assad dem Kriegsgericht zuzuführen wurden einfach Dokumente beschlagnahmt. Assad muss somit bis zum St. Nimmerleinstag im Amt bleiben, will er nicht … naja, sie verstehen. Immerhin, die kurdische Autonomie erfährt eine gewisse Beachtung,  früher war es pure Unterdrückung, die Kurden waren aller Möglichkeiten und Chancen beraubt. Entsprechend kritisch agieren die Kurden heute, die Differenzen sind kaum zu verleugnen.

 

"Der Standard" Nahostexpertin Gudrun Harrer

 

Erdoğan, der coole Türke

 

Die Amis waren omnipräsent und haben die IS zurückgedrängt, um den Kurden Luft zu geben. Diese sollen der Grenze jedoch fern bleiben, so die ideologische Überlegung der Türkei. Aus deren Sicht ist alles PKK, was sich bewegt. Zudem belagern Extremisten das Spielfeld. Kurzum: Die Region ist ein einziges Pulverfass, die Bündnisse sind durchwegs wechselhaft. Die Türkei nimmt`s sichtlich gelassen, denn Putin braucht die Türkei als Verbündete für seine Interessen. Die EU sitzt 1. Reihe fussfrei, das kommt selten vor. Die Ereignisse lassen eine demografische Veränderung erkennen, so ganz konform sind die Vorgänge aus völkerrechtlicher Sicht keineswegs. Von 5 Millionen Einwohnern ist eine Million Flüchtlinge. Das gibt zu denken.

 

Gudrun Harrer

 

Libanon am Boden

 

Die Überbelastung durch Flüchtlinge hat das Land an die Grenze zum Zusammenbruch gebracht. Mehr geht nicht, zudem droht ein Bankenkollaps. Spannend ist die Lage auch in Jordanien. Die Probleme sind eklatant. Israel und die anderen Nachbarn hoffen auf Stabilität, doch ganz so einfach wird es nicht. Westliche Demokratisierung ist in den hier angesprochenen Regionen eine nur bedingt akzeptierte Form des gesellschaftlichen Miteinanders. Erst Lichtblicke und Hoffnung. Dann Saddam Hussein, und alle Hoffnung sollte verblassen. Es gab eine breit angelegte innereuropäische Verständigung mit starkem Engagement der Briten, dem Irak geht`s heute jedoch denkbar schlecht. Der politische Prozess, so Gudrun Harrer, sei auf Schiene, doch Korruption und interne Querelen trüben das Bild. Es gibt bislang keine Antworten auf die brennenden Probleme.

 

Gudrun Harrer

 

EU fördert ganze Region!

 

2014 – 2020 gehen seitens der EU gut und gerne 15 Milliarden Euro in die Krisenregion. 16 Staaten profitieren von der Hilfe, Österreich hat einen Topf mit weiteren 4 Millionen eigens für die Syrien-Krise. Doch die Wirkung der Budgets ist nur bedingt erkennbar, viel verpufft in der zerklüfteten Politlandschaft. Schade eigentlich. Doch die sehr differenzierte Mentalität duldet keine Bevormundung, mit Demokratie ist es so eine Sache. Traditionelle Gepflogenheiten bestimmen das Tagesgeschehen, europäische Werte hingegen werden milde belächelt. So jedenfalls scheint es für uns Nicht-Eingeweihte, die wir andächtig den Schilderungen Harrers lauschen.

 

Gudrun Harrer

 

Sanktionen ohne Ende

 

Donald Trump setzt auf Sanktionen, um seine Widersacher klein zu kriegen. So auch im Falle des Iran, der damit zur Raison gebracht werden soll. Ich mache A um B zu erreichen. Das klappt nicht, es reicht eben für C oder D1 mit Abstrichen. Irgendwie funktioniert es nicht, und es tauchen stets neue Probleme auf. Es bewegt sich, aber nicht wie es soll. Die Goldstaaten sind überhaupt ein Kapitel für sich. Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten betreten wir eine politische Meta-Ebene, hier hat die Evolution eben erst angefangen. Die neuen Rechte für Frauen sind ein erster wichtiger Schritt Richtung moderne Gesellschaft, bis zur eigentlichen Emanzipation ist es ein weiter Weg. Die Sache mit dem Demokratieverständnis wird noch eine ganze Weile dauern.

 

Europa : DIALOG mit Gudrun Harrer und Benedikt Weingartner

 

Trump im Wechselschritt

 

Israel. Palästina. Dazwischen Trump. Die Ergebnisse der Gespräche bleiben überschaubar, irgendwie kommt da nix. Lähmung hat eingesetzt, der Durchbruch bleibt bislang aus. Ob das an alten Traditionen und Gepflogenheiten liegt? Alleine die doppelte Verneinung einzelner Statements bedeutet Lähmung, doch das ist immer noch besser als kriegerische Handlungen. Die EU hat versucht, Mechanismen zu schaffen und zu beruhigen, doch die Chance auf wirtschaftliche Interaktionen ist nur sehr gering, die Angst vor Turbulenzen dominiert. Die Angst vor Eskalationen ist enorm, Entwicklungen jeglicher Art gehen nur sehr zögerlich voran. Kritik an der europäischen Aussenpolitik wird laut, aus moralischer Sicht sind Bedenken in jeder Hinsicht erkennbar.

Unterm Strich gesehen, wir sollten uns in Dankbarkeit üben. Demokratie ist eine feine Sache.

Text & Fotos: Thomas Winkler