Europa : DIALOG mit ...Michael Laczynski
„Europa ist für mich eine Schule, in der Nationalstaaten Kompromissbereitschaft lernen.“ (Michael Laczynski)
Populisten. Verpönt. Und nahezu omnipräsent. Die immer öfter anzutretende Gattung allwissender Polit-Revoluzzer schafft es stets aufs Neue, die Planbarkeit der Dinge in Frage zu stellen und Verwirrung zu stiften. Michael Laczynski hat dieser Spezies sogar ein eigenes Buch gewidmet, auch aus der Überlegung heraus, die dahinter verborgene Ideologie zu durchleuchten und zu verstehen. Gemeinsam mit Benedikt Weingartner macht er sich auf Spurensuche nach dem gefürchteten Phantom namens Populismus. Gleich vorab: Der durch diese Bewegung entstanden Schaden ist enorm. Das Wort Krieg hängt im Raum. Dinge gewinnen plötzlich an Eigendynamik. Was steckt dahinter?
Neutralisieren. Manipulieren. Revoltieren.
Der Wille des Volkes zählt. Woher auch immer, Populisten wissen, was das Volk will. Die handwerkliche Perspektive dieser Strömung ist breit gefächert, die Neutralisierung des Gegners ist das erklärte Ziel. Dabei agieren Populisten in drei Rollen, so Laczynski. Die Inszenierung als Rebell gegen das Establishment ist eine Sache, im Namen seiner Wähler wird der Rächer gemimt. Zugleich braucht es den Illusionskünstler. Lösungen liegen offensichtlich auf der Hand, nur: Die „Anderen“ sind einfach zu dumm. Die dritte Funktion bedeutet Angstmache. Mit erhobenem Zeigefinger wird Unwohlsein initiiert, bis dem Zuhörer der kalte Schauer über den Rücken läuft. Im Idealfall natürlich. Reminiszenzen werden wach. Le Pen. Der Haider. Orban. Sogar der Name Trump ist zu vernehmen. War Robin Hood auch einer davon? Die Spuren reichen bis ins Mittelalter. Das Publikum erschauert.
Zeitmaschine Populismus
Schön war die Zeit. Die güldenen 20er. Der Aufschwung. Das Wirtschaftswunder. Die Krise. Autsch. Die Masche ist stets dieselbe: In einer nostalgischen Zeitreise werden epochale Highlights ins Rampenlicht gesetzt. Die Mystik der Vergangenheit lässt das Drama der Gegenwart und der noch viel schlimmeren Zukunft in bedrohlichem Licht erscheinen. Die FPÖ heult um den Schilling, die Briten vergöttern Bond und das das Empire. Wir lassen uns Europa nicht schlecht reden, und aushebeln spielt es auch nicht. Da müssen wir eben durch, es geht um Verantwortung. Und unsere Zukunft.
Feindbild Globalismus
Wirtschaft, aber auch kulturelle Elemente sind geeignet, Feindbilder zu schaffen. Marine Le Pen schafft es stets immer wieder, neben Banken und Brüssel neue Feindbinder zu schaffen. Die politische Spassbremse der Grossparteien setzt auf nationalstaatliche Lösungen, brisante Themen werden mit Weichspüler behandelt. Demonstrative Freundschaften zu grossen Tieren sind eine Variante, das Versprechen auf Wohlstand ist nicht eingetreten. Wie auch, angesichts der latenten Überregulierung an allen Ecken. Le Pen will befreien. Benedikt Weingartner bemüht die Analysebrille, die Emotionen sind nicht zu verbergen. Die da draussen und in Brüssel, das macht Stimmung, das G`spür für Ängste ist eine wichtige Waffe im Kampf gegen das Establishment. Das Wort Verblendung könnte treffender nicht sein, meckern kostet nix, aber es wirkt. Der Populist sagt, was das Volk denkt. Es weiss heute, was das Volk morgen will. Düstere Szenarien bringen Wählerstimmen, die Verlierer der Krise spenden Applaus. Migration und Kultur liefern reichlich Zündstoff, die Saubermänner vom rechten Flügel wissen, wie man Politik macht.
Fake-News und Social Media
Vernetzt sein ist alles. Lügen waren gestern, es zählt der kreative Umgang mit Fakten, das gehört zum Tagesgeschäft. Das Gebrüll der Hinterbänkler erinnert an die Muppets. Laczynski bringt die Entzauberungstheorie ins Spiel. Alleine an der Macht, liefern Populisten mit zuverlässiger Quote ein Desaster der Superlative, es braucht ein Gegengewicht, um das Schlimmste zu verhindern. Des Volkes Wille als Ausrede und Rechtfertigung liefert die Existenzberechtigung der „Saubermänner“, Orban & Co. haben Hochsaison. Neue Parameter werden erfunden, das Bühnenbild geändert, fertig. Ob Twitter oder das Buch mit vielen Gesichtern, wer braucht noch Medien, und es stellt sich die Frage: Was machen wir mit Populisten? Wie weit sind diese integrierbar? Pauschallösungen gibt es nicht, aufgrund länderspezifischer Umstände. Zudem: Auch das Establishment scheint eine gewisse Anfälligkeit für populistische Tendenzen zu entwickeln. Brüssel jedenfalls ist denkbar ungeeignet als Sündenbock, da braucht es Alternativen. Die Schuldigen sollten auf nationaler Ebene zu finden sein, das ist ziemlich offensichtlich.
Vertrackte Benchmarks
Wer erfolgreich sein will braucht Ziele. Sollte man meinen. Auf politischer Ebene jedoch sind Ziele gerade mal geeignet, Panikattacken der heftigen Art zu verursachen, Benchmarks werden als Gefahren interpretiert. Wer Ziele verfehlt ist unbeliebt gilt auch in der Politik, drum: Bitte keine Benchmarks. Populisten bringen Chaos in die Welt, sie gelten durchwegs als Synonym für Fehlentwicklungen. Ach ja, beim eingangs erwähnten Statement scheint ein Wort zu fehlen, wie zu vernehmen ist. Lernen „sollten“. Oder „müssten“? Egal, der Lerneffekt fehlt bislang. Populisten haben auch gute Seiten: Sie sind es, welche der statischen Lethargie der breiten Mitte ein Ende bereiten. Das Treiben der Nationalhelden ist nur eine Ursache dafür, dass Populisten täglich neue Anhänger finden. Zeit, dass Dinge in Bewegung kommen. Innovation ist gefragt!
Text & Fotos: Thomas Winkler |