Europa : DIALOG mit ...
Klaus Albrecht Schröder
„Europa ist für mich ein Teil meiner Heimat, in welchem Zustand auch immer es sich befindet.“ (K.A. Schröder)
Viele Grenzen und eine Heimat. Bildungsprivilegiert und vom Milieu geprägt, plaudert der Direktor der Albertina über das Europa von damals. Und heute. In seiner Jugend war Europa in der heutigen Form noch nicht greifbar. Es war vielmehr eine überstaatliche Idee, eine Vision, die sich entwickeln sollte. Italien, Deutschland, Österreich – K.A. Schröder ist ein weit gereister Mann, eine Persönlichkeit mit Witz und Charme. Ein Kosmopolit, der sich seiner Rolle als Direktor der Albertina sehr wohl bewusst ist und auf sein eigenes und zugleich sehr bewährtes Netzwerk setzt. Kultur kennt keine Grenzen. Europa ist ein Kontinent. Europa ist seine Heimat. Doch diese wirkt derzeit reichlich fragil, die latenten Probleme nehmen kein Ende. K. A. Schröder philosophiert mit Benedikt Weingartner über Höhen und Tiefen, Krisen, Grenzen und Tendenzen.
„Grenzen dicht“ als Ausweg?
Kunst ist international. Ob Römer oder Engländer, auf kultureller Ebene sind Grenzen eine rein philosophische Angelegenheit, man versteht sich. Den Begriff der Heimat auf eine nationale Identität herab zu brechen, wirkt in den Augen von K.A. Schröder bereits beinahe abartig. Heimat über Sprache zu definieren, scheint auch nicht unbedingt ins Schwarze zu treffen: Obwohl in Linz geboren, konnte er dem Oberösterreichischen nie etwas abgewinnen, da viel eher der kultivierten Hochsprache: Den „Bindermichl“ konnte er bereits in jungen Jahren nicht mehr hören, wie überhaupt er findet, die heimische Sprache sei mit widerwärtigen Nationalismen kontaminiert. Immerhin, er gesteht dem hiesigen Homo Sapiens das Recht auf den Dialekt zu. Ein Auftritt in einer deutschen Sendung hat für Turbulenzen gesorgt, das Krokodil hat`s übertrieben: Er wollte nur eine Lanze brechen. Wer immer Schröder bis dorthin mit Ehre überhäuft hatte, wechselte fortan die Strassenseite. Der Schuss ging nach hinten los … regionale Elemente bereichern unsere Kultur.
Vielfalt leben: Ein neues Credo für Europa?
Cervantes bewundern ohne Shakespeare zu verdammen, so K.A. Schröder, bedeutet Vielfalt. Nationalismen bringen Zerfall, die Ebene der Kunst liefert neue Perspektiven und Chancen durch eine neue, bislang nie gekannte Einheit. Staatsschuldenkrise und Flüchtlingskrise dominieren den Alltag – ist die kulturelle Komponente stark genug, um eine europäische Einheit zu schaffen? Die Sprache kommt auf ein neues Narrativ für Europa, ein neues Motto muss her, um den erlittenen Identitätsverlust zu kompensieren und unterschiedlichste Schichten harmonisch zu verbinden. Die Welt des Geistes ist nicht limitiert, eine europäisches Fussball-Mannschaft wäre eine Variante: König Fussball verbindet? – Hooligans und Co. als schwer bezwingbares Pendant verursachen Störgeräusche, also doch eine neue Symbolik: Kunst ist eine ziemlich globale Sache, Musik verbindet. Charts und Mode, Hamburger und Pizza: So einfach ist es, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Es braucht nur etwas Offenheit und Toleranz, um Vielfalt zu leben.
Albertina: Starke Familienbande
Die sächsische, polnische und habsburgische Verwandtschaft bewies Zusammenhalt. Politik war eine familiäre Sache, Herzog Albert ein kluger Mann. Österreich in unserem Sinne gab es nicht, er war überzeugter Freimaurer, obwohl dies nicht so gern gesehen war. Er gilt heute mehr denn je als kultureller Wegbereiter für Europa, von dem damals noch gar keine Rede sein konnte, die Idee des Humanismus fand einen fruchtbaren Boden. Integration beginnt auf kultureller Ebene – die Albertina ist aus der heutigen Kulturszene einfach nicht mehr wegzudenken. Dennoch, die zwiespältigen Gefühle über uns Europa heute sind nicht zu überhören, und sollten bei den Akteuren zu erhöhter Vorsicht animieren.
Integration versus Unterdrückung
Während Integration andernorts sehr offen gelebt wird, dominieren in Europa zahlreiche Barrieren, so K. A. Schröder. Bereits im Vorfeld werden vielfach merkliche Barrieren integriert, um den Integrationswilligen mangelnde Integrationsbereitschaft vorwerfen zu können. Integration als Instrument der Unterdrückung birgt enorme Gefahren in sich, es fehlt an Herzlichkeit und Wärme. Muss mein integrierter Nachbar die gleiche Lektüre inhalieren, wie ich? Mangelnde Sprachkenntnisse dürfen kein Hindernis sein, zumal: Es gibt nichts Exotischeres als einen Wiener Hausmeister, von den Ureinwohnern in Bad Ischl reden wir erst gar nicht … Integration braucht einen langen Atem. Ausschliessen gilt nicht – die Keule der Integration hat ausgedient. Schröder verurteilt die aktuelle Anpassungsverpflichtung, die nur darauf absieht, Betroffene bei Bedarf stolpern zu lassen. Autsch. Die paar Sprachkurse, die können wir uns auch noch leisten, zumal uns die EZB in Spendierlaune ist. Doch das kann keine Dauerlösung sein. Es braucht neue Strategien, um Europa wieder auf Kurs zu bringen.
Kultur braucht Verantwortung
Fremdes bereichert. Doch Pommes und belgische Waffel sind zu wenig, Integration verständlich zu machen. Engstirnigkeit ist ein Problem, Rassismus ein Teufel. Fremdenhass spaltet die Gesellschaft. Es braucht Vertrauen und Offenheit. Das gilt auch für die Verantwortlichen. Den Stellenwert von Kunst und Kultur in schöne Worte zu fassen kann`s nicht sein, die aktuelle Kulturdiplomatie lässt Ehrlichkeit vermissen. Doch das kennen wir bereits: Hilfsbereitschaft gleich Spendenbereitschaft gleich Willkommenskultur. Europa. Quo vadis!?
Text: Thomas Winkler Fotos: Europäische Kommission / Katharina Schiffl
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