Europa : DIALOG mit …Hans-Peter Siebenhaar
Korrespondent des „Handelsblatt“ für Österreich und Südosteuropa
„Europa ist für mich die Gemeinschaft zur Vermehrung des wirtschaftlichen Wohlstands und der Garant für Frieden und Fortschritt in einer globalisierten Welt voller Disruptionen“. (H.-P. Siebenhaar)
Deutscher mit britischer Herkunft. Markant. Prägnant. Im Gespräch mit Benedikt Weingartner eröffnet uns Hans-Peter Siebenhaar seine Sicht auf unser Europa. Der Journalist aus Leidenschaft, er ist Präsident der Auslandspresse in Wien und Buchautor, analysiert die Umstände bis ins Detail. Sein Buch „Die zerrissene Republik“ lässt kein gutes Haar an den Geschehnissen hinter den Kulissen, die Akteure lassen wenig Einigkeit erkennen. Und das berechtigt zur Frage, wie europäische Einigkeit funktionieren soll, wenn es nicht mal zuhause klappt.
Österreich: Die stumme Opposition
Kaum Highlights. Da und dort ein Fettnäpfchen. Eine FPÖ, die hinter dem Kanzler herdribbelt. Eine matte Opposition, die mit sich selbst beschäftigt ist. Und eine mitunter rebellierende Gewerkschaft. Die Szenerie lässt nur erahnen, was Siebenhaar auf den Punkt bringt. Westlich liberal oder eher doch nicht, so nach Ungarn – Polen. Die Sache wirkt zwiespältig, auf eine einheitliche Linie will sich keiner so recht festnageln. Entsprechend unrund wirken die Tagesgeschehnisse. Nur eines steht fest: Seit der ersten Regierung mit der FPÖ an Bord wurden Grenzen verschoben und Tabus waren nicht mehr ganz so tabu wie noch davor, aber so richtig was getan hat sich nicht. Der Fortschritt ist überschaubar.
Differenzierte Fremdwahrnehmung
Hitzige Wortgefechte im Parlament. Keine Rücktrittskultur, man muss schon rausgebissen werden, um das Feld zu räumen. Die Gesprächskultur erinnert an spätpubertäres Vorstadtgeplänkel, es gibt zu viele Kardinalfehler. Da wundert man sich eigentlich, dass überhaupt was funktioniert. Die deutschen Nachbarn hofieren uns, die einstigen Rebellen sind bemüht, salonfähig zu werden. Die sehr traditionelle Struktur bewegt sich nur ungern, und wenn dann im Kreis. 2015 hat sich viel geändert, wir leben in einer Risikogesellschaft. Sogar in Deutschland ist die Sehnsucht nach Change erkennbar, unser Bundeskanzler ist beliebt. Immerhin, die Ratspräsidentschaft erntet Lob. Für Organisation und Logistik. Es kamen viele bunte Bilder dabei raus. Weniger brillant hingegen der Inhalt. Der Analytiker bringt es staubtrocken rüber.
Brückenbauen war gestern
Ohne den Begriff Unbeholfenheit strapazieren zu wollen, das diplomatische Geschick unserer Akteure ist fernab von Genialität. Aktionen unter der Gürtellinie sind an der Tagesordnung. Kickl kommt ins Spiel. Siebenhaar ist wenig zimperlich, die recht eigenbrötlerischen Eskapaden der politischen Akteure sorgen regelmässig für Aufsehen. Die Beschädigung ist klar erkennbar, das mit Putin und der Krim war nicht in Ordnung. Und wenn es auf nationaler Ebene schon Ungereimtheiten gibt, warum soll es auf europäischer Ebene besser sein. Das geht einfach nicht.
Es braucht viel Nachsicht …
Die Sache mit der Finanztransaktionssteuer ging ebenso daneben wie eine Digitalsteuer. Wenn Frankreich und Deutschland zoffen wird es schwierig. Das Prinzip der Einstimmigkeit hat seine Tücken, wenn es um Fortschritt geht, da hilft nur Bewusstseinsbildung. Die Konzerne richten es sich, die heimischen zahlen Steuer, die Digitalsteuer sollte das EU-Budget ergänzen. Die Steuergerechtigkeit ist eine heikle Sache, zumal auch Subventionen im Spiel sind. Das mit dem Wettbewerb am Binnenmarkt klappt noch nicht so ganz. Die Hochkonjunktur lässt langsam nach, und doch wurde der MFR ziemlich verschlafen. Und, so Siebenhaar: Die Politik ist nicht ganz ehrlich.
Dauerwahlkampf!
Wähler werden in Dauererregung gehalten. Von penetranten Provokationen ist die Rede. Die sehr polemische Kultur lässt keine einheitliche Richtung erkennen. Nachhaltigkeit: Pustekuchen. Das Land ist gespalten, so der Buchautor, der sichtlich weiss wovon er spricht. Die rechtspopulistischen Töne sind klar vernehmbar, das Bild der glücklichen Hühner schwebt im Raum. Autsch. Die Medien im Land sind treu, aber im Schwitzkasten. Siebenhaar liebt Unabhängigkeit. Es gibt wenig Ausreisser in der heimischen Berichterstattung, überhaupt, er redet lieber mit der Wirtschaft. Die bewegt was. Die Politik eher weniger, das musste kommen.
Europäer auf Raten
Der EU-Beitritt ist an Auflagen gebunden. Die Nationen sind angesichts der Auflagen ziemlich überfordert, es geht um teils radikale Umstellungen in der Verwaltung, um diese stellvertretend für andere Bereiche zu nennen. Entsprechend wäre eine langsame Annäherung mittels Premium-Partnerschaft sinnvoll, die Perspektiven und Chancen schaffen Vorteile für alle. Und die neuen Europäer in Spe hätten Zeit, die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen. Nationale Egoismen bereiten Sorge. Diese Dummheiten gefährden den Wohlstand. Das Mehrheitsprinzip hemmt. Für die Zukunft hofft Siebenhaar auf Offenheit und Menschlichkeit. Und etwas Optimismus wäre ebenfalls angebracht. Text & Fotos: Thomas Winkler |